Carstensen will mit Vertrauensfrage Parlamentsauflösung erreichen

Showdown im Kieler Landtag

Nach dem Bruch der großen Koalition steuert Schleswig-Holstein auf vorgezogene Neuwahlen zu. CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen stellte am Montag im Kieler Landtag die Vertrauensfrage. Darüber wird das Parlament am Donnerstag in einer weiteren Sondersitzung entscheiden.

Autor/in:
André Klohn
 (DR)

Es ist einer dieser Momente, der die Beobachter im Kieler Landtag aufhorchen lässt. Kurz vor der Abstimmung des Parlaments über das vorzeitige Ende der Wahlperiode ergreift die stellvertretende Ministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave (SPD) am Montag das Wort für eine persönliche Erklärung. Sichtlich bewegt rechtfertigt die Sozialdemokratin ihre spätere Ablehnung des von CDU und Opposition gestellten Antrags zur vorzeitigen Auflösung des Landtags. Sie wolle nicht akzeptieren, dass "die heutige Abstimmung ein Scheitern der großen Koalition in ihrer Regierungsarbeit ist".

Nur wenige Minuten später ist Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) an dem Punkt angekommen, an er eigentlich nicht wollte. Er muss im Kieler Landtag die Vertrauensfrage stellen. Auf diese Weise will der 62-Jährige Neuwahlen im Norden parallel zur Bundestagswahl am 27. September durchsetzen. "Nach den Geschehnissen der vergangenen Wochen und besonders nach den Geschehnissen der vergangenen Tage lassen Sie mir nach dieser Abstimmung keine andere Wahl", begründete Carstensen die Vertrauensfrage im Plenum.

Noch vor wenigen Tagen hatte er eine "fingierte Vertrauensfrage" abgelehnt und an den bisherigen Koalitionspartner SPD appelliert, den Weg für eine Auflösung des Parlaments frei zu machen. Die dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit haben die Genossen am Montag jedoch kurz zuvor mit ihren Stimmen verhindert. Nun müssen die eigenen Parteifreunde Carstensen am Donnerstag das Misstrauen aussprechen. Die SPD wollte erzwingen, dass der Ministerpräsident zumindest formell als gescheitert dasteht.

Auslöser war ein Streit über umstrittene Sonderzahlung
Am Mittwochabend hatte die Union das seit 2005 in Schleswig-Holstein bestehende Regierungsbündnis aufgekündigt. Auslöser war ein Streit mit SPD-Landeschef Ralf Stegner über die umstrittene Sonderzahlung an den Vorstandsvorsitzenden der schwer angeschlagenen HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, in Höhe von 2,9 Millionen Euro.

Stegner hatte behauptet, dass die SPD den Boni nicht zugestimmt habe. Dagegen räumte Innenminister Lothar Hay (SPD) ein, dass er sich mit Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) abgestimmt habe. Inzwischen hat auch Carstensen eingeräumt, in einem Brief an Parlamentspräsident Martin Kayenburg falsche Angaben gemacht zu haben, wonach die Fraktionsspitzen vorher ihr Einverständnis gegeben hätten.

Carstensen wirft Stegner, der im Kieler Landtag Fraktionschef der SPD ist, vor, "in Äußerungen" von getroffenen Entscheidungen abzurücken. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Perspektiven brauche man aber "bei schlechtem Wetter und bei Sturm alle Mann an Deck". Stegner dagegen hält der Union vor, die Koalition gebrochen zu haben. Die beantragte Auflösung sei nicht ehrenhaft begründet gewesen.

Über die Vertrauensfrage darf das Parlament erst nach frühestens 48 Stunden entscheiden, so sieht es die Verfassung des nördlichsten Bundeslandes vor. Nach einer Entscheidung des Ältestenrates findet diese Entscheidung am Donnerstag statt. Erhält Carstensen dann nicht das Vertrauen der Mehrheit der 69 Abgeordneten, kann er den Landtag auflösen und Neuwahlen anberaumen.

Wunschpartner FDP steht bereit
Die Umfragen für die CDU und die von Carstensen zum "Wunschkoalitionspartner" erkorene FDP sind günstig. Gleich drei Meinungsforschungsinstitute sahen am Wochenende gute Voraussetzungen für eine schwarz-gelbe Mehrheit im neuen Parlament. Den Sozialdemokraten droht nach Ansicht der Meinungsforscher ein Wahldebakel.

Die SPD wird in der Position des Angreifers in diesen Wahlkampf ziehen müssen. Eines ihrer Wahlkampfthemen wird das mit zahlreichen Pannen behaftete Atomkraftwerk Krümmel in Geesthacht bei Hamburg sein. Ursprünglich bereits am Freitag sollte die für Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) darüber eine Regierungserklärung abgeben. Mit den Stimmen von CDU, FDP und Grünen wurde diese am Montag jedoch erneut verschoben. Nun soll die Regierungserklärung am Donnerstag nach der Abstimmung über die Vertrauensfrage abgehalten werden.

Ob die SPD-Minister dann überhaupt noch im Amt sind, wir von manchen inzwischen angezweifelt. Auf den Fluren des Kieler Landeshauses wurde bereits darüber spekuliert, Carstensen könnte die vier SPD-Minister seines Kabinetts noch vor der Abstimmung über die Vertrauensfrage entlassen. Sollte es so kommen, wäre dies laut Erdsiek-Rave eine "menschliche Enttäuschung". Schließlich habe sie in der Regierung loyal gearbeitet. Es wäre die nächste Eskalation im Kieler Machtpoker.