Bischof Huber zu 50 Jahre "Konferenz Europäischer Kirchen"

"Unsere Stimme hörbar machen"

Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach bei der bis Montag in Lyon tagenden KEK-Vollversammlung mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber (66). Im Interview würdigt er die Verdienste der KEK, in der derzeit 126 Kirchen zusammengeschlossen sind, und beschreibt ihre Aufgaben für die Zukunft.

Autor/in:
Esther R. Suter
 (DR)

KNA: Herr Bischof, wie schätzen Sie die KEK und ihre Rolle ein?
Huber: Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) hat für die Entwicklung des gemeinsamen christlichen Zeugnisses in Europa eine unersetzbare Aufgabe. Sie hat entscheidend dazu beigetragen, dass während der Teilung Europas eine Brücke zwischen den Kirchen in Ost und West begehbar blieb. Und sie hat 1989 zusammen mit dem katholischen Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) die erste Europäische Ökumenische Versammlung vorbereitet. Dies hat schon vorweg im Sommer 1989 erkennbar gemacht, was dann im Herbst
1989 geschehen ist.

KNA: Und was sehen Sie als problematisch an?
Huber: Wie anderen kirchlichen Organisationen fällt es auch der KEK schwer, sich auf die veränderte Realität seit 1989 einzustellen.
Aber wenn es gelingt, sie in einer der heutigen Situation in Europa angemessenen Weise umzugestalten, wird sie als Ausdruck der versöhnten Verschiedenheit der Kirchen weiterhin sehr bedeutsam sein.

KNA: Der evangelische Theologe Oscar Cullmann (1902-1999) prägte die theologische Formel der "Einheit durch Verschiedenheit". Sie haben bei Ihrer Bibelauslegung hier in Lyon von "Ökumene als Indikativ" gesprochen, von einer Einheit, die gegeben sei.
Huber: Ich betrachte die Vielfalt nicht als Einschränkung der Einheit, sondern als Darstellung der unterschiedlichen Gaben und Traditionen auf der Grundlage der Einheit, die durch den gemeinsamen Glauben gegeben ist. In dem betreffenden Text im Epheserbrief habe ich eine Ökumene des Indikativs entdeckt, eine Ökumene, die Gabe ist und nicht in erster Linie eine Aufgabe. Ich betrachte diese Textstelle als Magna Charta der Ökumene. Von dieser biblischen Grundlegung aus steht meiner Überzeugung nach ein Paradigmenwechsel in der ökumenischen Orientierung an. Aus ihm ergibt sich auch, was ich eine "Ökumene von unten" nenne, eine Ökumene, die die unterschiedlichen Gaben und Aufgaben an dem einen Leib Christi ernst nimmt.

KNA: Und wie sehen Sie dabei die Aufgabe der KEK in Europa?
Huber: Die Situation der Ökumene in Europa erfordert Folgendes: Die Gemeinschaft europäischer Kirchen soll unsere Stimme in der europäischen Öffentlichkeit erkennbar und vernehmbar machen und ein Modell versöhnter Verschiedenheit vorleben. Das erfordert interne Transparenz und Klarheit. Die KEK soll verstehbar, nachvollziehbar sein, an Ausstrahlung gewinnen und sich auf die Wirksamkeit des eigenen Tuns besinnen. 2009 wird in Deutschland und anderen Ländern das 20. Jubiläumsjahr der friedlichen Revolution gefeiert. Diese friedliche Revolution war der wichtigste historische Wandel in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Für die KEK bedeutet das, dass sie die christliche Stimme im größer gewordenen Europa hörbar machen muss.

KNA: Auch im lauter gewordenen Europa.
Huber: Sicher, der Unterschied zu früher ist, dass die christliche Stimme heute nicht mehr die einzige ist. Aber die religiösen Stimmen bleiben wichtig; und es ist notwendig, dass die christliche Stimme nicht ungehört verhallt. Dazu brauchen wir Strukturen, innerhalb derer diese Stimme deutlich und klar zu Gehör kommt. Wenn wir vor der Wahl stehen zwischen Resignation, wie sie die Theorie eines "gottlosen Kontinents Europa" nahe legt, oder der aktiven Teilnahme an gesellschaftlichen Debatten, dann spreche ich mich klar für die zweite Variante aus. Denn das Zeugnis der christlichen Kirchen hat auf unserem Kontinent auch weiterhin wichtige Aufgaben vor sich.