NRW: CDU darf SPD-Spitzenkandidatin weiter "Lebenslauf-Lüge" vorwerfen - aber nicht gedruckt

Kraftausdrücke erlaubt

Es war wie an einem Wahlabend. Als SPD-Landeschefin Hannelore Kraft und die Anwälte der NRW-CDU am Mittwoch den Gerichtssaal im Landgericht Köln verließen, erklärten sich beide Streitparteien zum Sieger. Kraft lobte eine "eindeutige" Entscheidung im Streit um ihren geänderten Online-Lebenslauf, da ihr fortan keine Verwicklung mehr in einen Fördermittelskandal nachgesagt werden dürfe. Aber auch die CDU feierte einen "wichtigen Erfolg". Die Christdemokraten dürfen nämlich weiter den Begriff "Lebenslauf-Lüge" verwenden.

 (DR)

Für diesen sehr speziellen Rechtsstreit um eine Propaganda-Kampagne der NRW-CDU im Kommunalwahlkampf legten sich beide Seiten vor Gericht voll ins Zeug. Erst zwei Stunden vor dem Prozess hatte Kraft entschieden, persönlich im Saal 240 des Kölner Landgerichts für ihre Sache zu fechten. Der Lügen-Vorwurf sei «ehrabschneidend», sagte sie in der Verhandlung. Die Christdemokraten wurden prominent von dem aus der CDU-Parteispendenaffäre bekannten Essener Anwalt und Helmut-Kohl-Rechtsbeistand Stephan Holthoff-Pförtner vertreten.

Per Postkartenaktion hatte die CDU Kraft vorgeworfen, sie habe ihren Lebenslauf im Internet zensiert. Ihr ehemaliger Arbeitgeber, die Mülheimer Zenit GmbH, sei gelöscht worden. Kraft habe offenbar etwas zu verbergen, wetterte NRW-CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst. Kraft zog dagegen vor Gericht. Bei einem «Relaunch» der Seite habe man die Firma Zenit weggelassen, weil sie gehört habe, dass es unüblich sei, ehemalige Arbeitgeber namentlich zu erwähnen. Zudem sei der Zenit-Hinweis auf ihren anderen Homepages weiter vorhanden.

In einen Fördermittelskandal seien weder sie noch Zenit verwickelt gewesen, betonte Kraft in der Verhandlung. 2007 hatte die Affäre um verschwendete Fördergelder im Umfeld der Gelsenkirchener Fachhochschule politische Wellen in der NRW-Landespolitik geschlagen. Damals hatte Kraft mit Erfolg gegen eine Zeitung geklagt, die ihre eine Verwicklung unterstellt hatte.

Die Vorsitzende Richterin Margarete Reske gab Kraft aber nur zum Teil Recht. Die Bezeichnung «Lebenslauf-Lüge» sei als «sehr zugespitzte» Äußerung durch höchstrichterliche Rechtsprechung gedeckt. «Es ist nun einmal Wahlkampf», erklärte Reske.

Daraufhin zog die SPD einen entsprechenden Antrag auf Unterlassung in diesem Punkt zurück. Dabei hatte Kraft mehrfach gegenüber der Richterin betont, der Lügen-Vorwurf sei für sie wichtig. Es könne nicht sein, dass sie als Lügnerin dastehe, weil sie eine Internet-Vita überarbeitet habe. Reske entgegnete, dass sei eine «philosophische Frage». Man könne theoretisch gesehen eben auch die Unwahrheit sagen, wenn man etwas weglasse.

Anschließend entschied das Gericht jedoch, dass die CDU Kraft keine Verwicklung in den Fördermittelskandal rund um die Fachhochschule Gelsenkirchen vorwerfen darf. Die CDU muss nun neue Postkarten drucken. Holthoff-Pförtner kündigte Widerspruch gegen den Beschluss zur Verwicklung in dem Skandal an. Im weiteren Verfahren solle die Rolle Krafts in der Fördermittelaffäre aufgeklärt werden.

Ein Vorschlag der Richterin, sich doch gütlich zu einigen, scheiterte vor Gericht. Dabei hatte Reske die Streitparteien mit sanfter Ironie ermahnt, es könnte im Wahlkampf ja «noch wichtigere Fragen» geben als einen Postkarten-Lebenslauflügen-Streit.

Der Betreiber des Journalisten-Blogs «Ruhrbarone.de», David Schraven, hatte als Erster über die Änderung in Krafts Online-Lebenslauf berichtet. Die CDU griff den Bericht auf.

Bei der anschließenden Deutung des Urteils herrschte in der Landespolitik Uneinigkeit. Grünen-Landeschefin Sylvia Löhrmann gratulierte Kraft zum Teilerfolg gegen die «niveaulosen» Methoden der CDU. Der christdemokratische «Wadenbeißer» Wüst hingegen will seine Kampagnen gegen Kraft fortsetzen. Vermutlich werden sich beide Seiten bald auch wieder vor Gericht treffen.