Ungewöhnliches Klassentreffen mit Bischof Bode

Protestierende Primaner

Klassentreffen sind für Leute, die nicht in der betreffenden Klasse waren, eigentlich gähnend langweilig. Genau das Gegenteil bewirkte die Zusammenkunft dreier ehemaliger Schulkameraden am Freitagabend im Osnabrücker Forum am Dom: Vor der offiziellen Feier zum 40. Jahrestages ihres Abiturs traf Bischof Franz-Josef Bode zwei seiner Mitschüler vom Paderborner Gymnasium Theodorianum.

Autor/in:
Stefan Buchholz
 (DR)

"Was ist aus dir geworden?" und "Weißt du noch, damals...?" - Hans-Georg Hunstig, der ehemalige Klassensprecher der "Oberprima b", ist inzwischen Jurist und lebt als einziger der drei noch in Paderborn. Wie er der Journalistin Susanne Haverkamp, die das Wiedersehen moderierte, gestand, war das staatlich geführte Theodorianum anfangs eine fremde Welt für ihn. Sogar als "schlimmste Zeit seines Lebens" durchlitt Carl Georg Hegemann die Jahre auf der Penne. "Aber sie haben mich im nachhinein gefestigt für die Härte des Berufslebens", offenbart der Professor für Dramaturgie in Leipzig im Rückblick. Und auch der Sextaner Bode bekam gleich am ersten Tag der Aufnahmeprüfung eins auf die Mütze, die er beim Betreten der Aula nicht abgenommen hatte.

Es waren die Jahre des weltweiten Protestes, als die damaligen Primaner auf ihre schulische Reifeprüfung hinarbeiteten. Sogar in der Paderborner Provinz revoltierte man anno 1969 gegen die Überreichung der Abiturszeugnisse durch den unliebsamen Rektor, indem man die Feier kurzerhand in ein Gasthaus verlegte. "Wir waren damals jedem Offiziellen sehr abhold", wie sich der heute 58-jährige Bode erinnert.

Die gemeinsame Bahn des Trios trennte sich in verschiedene Berufsrichtungen. Hunstig beschäftigte sich mit Rechtswissenschaften und machte sich "auf den langen Weg zur Gerechtigkeit, der ohne Ankunft bleibt". Bode wurde von der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils erfasst: In Regensburg studierte er Theologie bei Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI. Hegemann kämpfte sich nach eigenem Bekunden aus dem Hörsaal auf die Frankfurter Barrikaden zusammen mit Joschka Fischer durch. Doch für die anstehende Doktorarbeit und die Liebe zum Theater verlegte er sein Streben nach Veränderung des Bestehenden auf die Bühne.

Im Forum, das zwischen Dom und Osnabrücker Stadttheater liegt, kritisierte Dramaturgie-Experte Hegemann die heutige Liturgie. Ihr fehle es an den alten Ritualen und betone zuwenig das Übersinnliche.
Auch Hunstig, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, bemängelte, dass "die Leute hungrig in die Kirche kommen und sie noch hungriger wieder verlassen". Der Bischof gab seinen ehemaligen Klassenkameraden bedingt Recht und sprach sich für eine "leichte Reform" der Liturgie aus, die wieder mystische und einheitsstiftende Momente hervorheben sollte.

Die Frage nach ihrer Haltung zum Thema Glaube und Tod beantworten die drei sehr unterschiedlich. Trotz der Bindung an die Erde bekennt Hans-Georg Hunstig den Glauben an ein Weiterleben nach dem Tod und sieht sich "auf der Wanderschaft in das große Leben". Hegemann will diese Frage - mit einem Blick auf Bode - Fachkräften überlassen und revoltiert doch am stärksten gegen eine "Unerträglichkeit des Ewigen". Transzendenz ja, so der Theatermacher, aber bitte keinen "lieben Gott", denn das sei "langweilig katholisch".

Die Erklärung Bodes, warum es Leiden auf der Welt gerade wegen des gütigen Gottes gibt, überzeugt die kirchlich geprägten Mitschüler nicht gänzlich. Aber es freue ihn, betont der Gastgeber, dass "uns drei letztendlich die Sehnsucht nach Antworten wieder zusammenführt auf der Suche nach dem dynamisch-dreieinigen Gott."