Israelische und palästinensische Eltern gemeinsam für Frieden

"Unsere Tränen sind gleich bitter"

Bassam Aramin und Rami Elhanan gehören zum "Elternkreis-Familienforum", einer Initiative von rund 500 israelischen und palästinensischen Familien, die durch den Konflikt zwischen ihren Völkern einen nahen Angehörigen verloren haben. Beide haben früher Waffen getragen, der eine als israelischer Soldat, der andere als Fatah-Kämpfer. Bassam hat dafür neun Jahre in israelischen Gefängnissen verbracht. Heute berichten die Männer einträchtig einer Pilgergruppe von ihrem langen inneren Weg zur Versöhnung.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

"Unser Schmerz ist unsere stärkste Waffe". Bassam Aramins dunkle Augen fixieren einen leeren Platz zwischen seinen Zuhörern. Vor zwei Jahren verlor der palästinensische Friedensaktivist seine zehnjährige Tochter Abir, auf dem Schulweg erschossen von einem israelischen Soldaten. "Aber wir wollen mit dieser Waffe nicht Rache üben, sondern für den Frieden kämpfen", so der 47-Jährige. Rami Elhanan (59) hat seinen Arm um Bassams Schulter gelegt. Der jüdische Israeli ist sein "Blutsbruder", wie er es nennt: Seine 14-jährige Tochter Smadar wurde 1997 von einem Selbstmordattentäter in einer Jerusalemer Einkaufsstraße in den Schlund des Nahost-Konflikts gerissen.

"Die natürliche Reaktion auf den gewaltsamen Tod eines Kindes ist Hass", gesteht Rami. "Es ist viel schwieriger, nachzudenken und nach den Ursachen des Leids zu fragen" - und die Entscheidung zu treffen, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen. Heute steht auf seinem Schreibtisch in seinem Graphiker-Büro neben dem Foto von Smadar ein Bild von Abir: "Um mich daran zu erinnern, dass die Tränen palästinensischer Eltern genauso bitter sind wie die israelischer Eltern."

Die Mitglieder des Elternkreises treffen sich regelmäßig zum Austausch. Vor allem aber sprechen sie zu anderen von ihren Erfahrungen, "bei jeder Gelegenheit", wie Rami sagt. Immer zu zweit. Vor allem besuchen sie Schulen und Universitäten; insgesamt 1.200 solcher Einsätze hatten sie im vergangenen Jahr, auf israelischer wie palästinensischer Seite. Rami, der als Israeli die palästinensischen Gebiete laut israelischer Vorschrift eigentlich nicht betreten darf, schlüpft dafür durch die zahlreichen Löcher im Sperrwall. Oft ist er der erste israelische Zivilist, den die palästinensischen Jugendlichen je gesehen haben. "Wenn nur ein Kind in der hintersten Schulbank zustimmend nickt, während wir reden - dann hat sich der Tag für uns gelohnt. Vielleicht haben wir ein Menschenleben gerettet."

"Wir beweisen das Gegenteil"
Doch nicht überall stoßen sie auf Beifall: In einer israelischen Universität warfen empörte Studenten Rami an den Kopf, es wäre besser gewesen, wenn er mit seiner Tochter in die Luft gesprengt worden wäre. Auch von israelischen Politikern werden die trauernden Eltern wohl respektiert, aber nicht immer gern gehört. "Seit Jahren baut unsere Politik darauf, dass man keinen Partner für echte Friedensgespräche habe", sagt Rami. "Wir beweisen das Gegenteil." Umgekehrt hören die palästinensischen Mitglieder des Elternkreises manchmal den Vorwurf der "Kooperation mit dem Feind". Bassam sieht das freilich gelassen: "Ich habe alles für mein Volk verloren, was man verlieren kann", sagt er. "Jetzt habe ich ein Recht zu reden."

Die einzige Lösung für den Nahost-Konflikt sehen die trauernden Eltern in einem aufrichtigen Dialog - und im Zuhören. Bei einem ihrer Jahrestreffen haben sie gemeinsam die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem besichtigt; anschließend fuhr die Gruppe zu einem 1948 im israelischen Gründungskrieg zerstörten palästinensischen Dorf. Dieses "miteinander Weinen", so Rami, sei der erste Schritt zum Frieden. Dass sie mit ihrer Ansicht oft - und sogar zunehmend - allein sind, lässt die Mitglieder des Elternkreises nicht aufgeben.

Auch nicht angesichts beklemmender Ereignisse wie des jüngsten Gaza-Krieges. "Wir haben nicht das Recht, die Hoffnung zu verlieren", erklärt Rami fest. "Wir haben den höchsten Preis bezahlt, den man in diesem Konflikt zahlen kann. Wenn wir miteinander reden können, dann können es alle. Und dann müssen es alle."