Vor zehn Jahren wählte die hannoversche Landeskirche Margot Käßmann zur Bischöfin

Blumen, Jubel und eine "Notsynode"

Drei Tage, drei Wahlgänge, dann war die Sensation perfekt: Vor zehn Jahren, am 5. Juni 1999, wählte die hannoversche Landessynode Margot Käßmann zur neuen Bischöfin. Besonders Frauen jubelten über die zweite Bischöfin in der Republik.

Autor/in:
Ulrike Millhahn
 (DR)

Die 99 Kirchenparlamentarier der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland hatten sich mit sieben Stimmen Mehrheit für die junge, dynamische 41-jährige Mutter von vier Töchtern entschieden. "Das war für die eher konservativ ausgerichtete Landeskirche ungewöhnlich", erinnert sich Landeskirchenamtspräsident Burkhard Guntau an den Moment, als sich der karge Sitzungssaal in ein Blumenmeer verwandelte.

Besonders Frauen jubelten: Nachdem Theologinnen zwischen Göttingen und Cuxhaven erst seit 1964 überhaupt zum Pfarramt zugelassen waren, gab es nun mit Käßmann nach Maria Jepsen in Hamburg die zweite Bischöfin in der Republik. Genau dagegen machte der Geschäftsmann Rudi Weinmann aus der Lüneburger Heide mobil. Er verkündete, das Bischofsamt sei nunmehr "verwaist", weil Jesus die Bischöfin nicht anerkenne, und berief eine "Notsynode" ein.

Mit 2.000 bibeltreuen Christen wollte er am Tag des Bischofswechsels, dem 4. September 1999, in Hannover protestieren. Tatsächlich kamen aber nur 160 rechtskonservative Christen, während mehr als 5.000 Menschen die neue Bischöfin feierten.

Wie sehr es der aus Marburg stammenden Tochter eines Kfz-Mechanikers gelang, sich in ihrer Landeskirche zu verwurzeln, zeigte sich vor zwei Jahren. Im Sommer 2007 ließ sich Käßmann nach 26-jähriger Ehe von ihrem Mann Eckhard scheiden. Für die wertkonservative Theologin war diese Entscheidung die schwerste ihres Lebens: "Ich habe lange mit mir gerungen und auch an Rücktritt gedacht." Ihrem Kirchenparlament stellte sie sich zu einer internen Diskussion. Es gab viel Sympathie, aber auch kritische Rückfragen. Doch letztlich sprachen ihr alle kirchenleitenden Gremien das Vertrauen aus.

"Jemand, der übers Leben redet und nie auch Schweres erlebt hat, ist wie einer, der über die ganze Welt spricht und nie gereist ist", sagt Käßmann, die am 3. Juni 51 Jahre alt wird. Auch aus ihrer Brustkrebserkrankung im August 2006 hat sie kein Geheimnis gemacht, denn Wahrhaftigkeit war der ehemaligen Generalsekretärin des evangelischen Kirchentages schon immer wichtig.

Bereits mit 25 Jahren wurde sie als Vikarin jüngstes Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen. Knapp 20 Jahre später verließ "Mrs. Ökumene", wie sie oft genannt wurde, den Weltkirchenrat "mit Trauer und Zorn". Auslöser war dessen Entscheidung, aus Rücksicht auf die orthodoxen Kirchen keine ökumenischen Gottesdienste mehr zu feiern.

"Die Kirche braucht Mut für Veränderungen", gab Käßmann ihrer neu gewählten Landessynode vor einem Jahr mit auf den Weg: "Aber dabei muss man Geduld haben und sollte nicht alles gleich umwerfen." Diesen Spagat immer wieder hinzubekommen, sei eine ihrer großen Stärken, sagt der geistliche Vizepräsident des hannoverschen Landeskirchenamts, Arend de Vries: "Ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeit, sich in ganz unterschiedliche Themen einzuarbeiten und fundiert Stellung zu nehmen, finde ich bewundernswert."

In ihren halbjährlichen Berichten vor dem Kirchenparlament holt Käßmann sich immer wieder Rückendeckung für ihre neuen Ideen und Projekte, die oft bundesweit Nachahmung finden: Eine Kampagne gegen Kinderarmut gehört genauso dazu wie die Aktion "Advent ist im Dezember" oder eine Studie zu Misshandlungen von Kindern in evangelischen Heimen in den 50er und 60er Jahren, die auf ihre Anregung hin gerade angefertigt wird.

Einen ebenso hohen Stellenwert misst sie ihren Predigten zu: "Sie steht fast jeden Sonntag auf irgendeiner Kanzel in ihrer Landeskirche und predigt mit einer nicht nachlassenden Begeisterung", sagt Burkhard Guntau. Mehr als 50.000 Kilometer legt Käßmann pro Jahr im Auto zurück.

Einer möglichen Wahl ihrer Bischöfin zur nächsten Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Ende Oktober in Ulm sehen Guntau und de Vries mit hannöverscher Nüchternheit entgegen: "Wenn es so käme, hätte sie die Unterstützung aller Verantwortlichen in der Landeskirche." Käßmann selbst, die seit sechs Jahren Mitglied des höchsten Leitungsgremiums der EKD ist, sagt dazu nur: "Bis dahin läuft noch viel Wasser die Leine hinunter. Ich bin froh, so wie es jetzt ist in meinem Leben."