Vor 125 Jahren wurde Max Brod geboren

Im Schatten Kafkas

Max Brod war Teil des "Prager Kreises", einer Gruppe talentierter Schriftsteller. Berühmt wurde er allerdings erst durch einen Freundschaftsdienst, den er für Franz Kafka nicht leistete - und dafür sorgte, dass sein eigenes schriftstellerisches Schaffen in dessen Schatten geriet.

Autor/in:
Peter Kohl
 (DR)

Kurz bevor Franz Kafka am 3. Juni 1924 der Lungentuberkulose erlag, hatte er seinen Freund testamentarisch aufgefordert, seine unveröffentlichten Texte, einen Großteil seines Werkes, zu verbrennen. Brod kam diesem letzten Wunsch nicht nach und ermöglichte so die einzigartige posthume Karriere von Kafka, der zu Lebzeiten nicht über den Rang eines literarischen Sonderlings hinausgekommen war.

Das hatte allerdings auch zur Folge, dass das schriftstellerische Schaffen Brods in den Schatten Kafkas geriet. Hier sind noch Entdeckungen zu machen. Brod, der vor 125 Jahren, am 27. Mai 1884, in Prag geboren wurde, zählte zu der geistig und literarisch überaus produktiven deutschsprechenden jüdischen Bevölkerung der böhmischen Metropole, die bis 1918 zu Österreich-Ungarn gehörte.

Enger Freund Kafkas
Der Sohn eines Bankbeamten, dessen Kindheit durch eine Wirbelsäulenverkrümmung und die psychische Erkrankung seiner Mutter überschattet wurde, fand Trost und Kraft in Musik und Literatur.1902 begegnete er als Jura-Student der Prager deutschen Karl-Ferdinand-Universität erstmals dem ein Jahr älteren Kafka, mit dem ihn bald eine enge Freundschaft verband.

Zusammen mit dem Schriftsteller und Philosophen Felix Weltsch und Kafkas späterer Verlobter Felice Bauer bildete Brod den Kern des "Prager Kreises". Früh hatte er zu schreiben angefangen, der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Sein 1908 nach zwei Novellenbänden erschienener Roman "Schloß Nornepygge" gilt als der erste expressionistische Roman und machte ihn im deutschsprachigen Raum bekannt.

Durch die Begegnung mit Martin Buber entdeckte Brod eine neuen, tieferen Zugang zum Judentum, das ihm bislang recht gleichgültig war. Die Überwindung der Selbstbezogenheit und die ethische Forderungen in die Lebenswirklichkeit übersetzende Tat wurden zu bestimmenden Motiven seines Handelns und Schreibens. Der eindrucksvollste und bekannteste literarische Ausdruck seiner Geisteshaltung ist der 1915 erschienene Roman "Tycho Brahes Weg zu Gott", der einen Zyklus heute weitgehend vergessener historischer Romane eröffnete.

Er förderte immer auch den Ruhm anderer
Brod, der neben seinem literarischen Schaffen, das auch Essays, Dramen und Gedichte umfasste, als Übersetzer, Komponist und Publizist wirkte, förderte immer auch den Ruhm anderer. Franz Werfel rückte er ins Interesse der Öffentlichkeit, indem er seine Lyrik in Berlin vorlas. "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" von Jaroslav Hasek machte er durch seine Übersetzung ins Deutsche und eine dramatische Bearbeitung weltbekannt. Den internationalen Durchbruch des mährischen Komponisten Leos Janacek beförderte er durch das Verfassen deutschsprachiger Libretti für dessen Opern.

Da sich Brod zum Zionismus bekannte, den er auch Kafka nahebrachte, war es nur konsequent, dass er mit seiner Frau nach Palästina floh, als im März 1939 deutsche Truppen in die Tschechoslowakei einmarschierten. Nach zwischenzeitlichem Verstummen angesichts des Holocaust, dem auch sein Bruder zum Opfer fiel, lebte und arbeitete er in Tel Aviv bis zu seinem Tode am 20. Dezember 1968, schrieb Autobiografisches, theologisch-philosophische Betrachtungen und immer wieder über Kafka, wobei sein besonders enges persönliches Verhältnis und sein Judentum den Blick auf das vielgedeutete Werk und die Person des Freundes bestimmte.