Bochumer Opelaner werden "kreativ" für ihr Werk kämpfen - Betriebsrats-Chef im Portrait

Aufgeben ist nicht

Im Ringen um die Rettung des Autobauers Opel sind auch Protestaktionen der 5000 Arbeiter im Werk Bochum möglich. "Die Bochumer Opel-Beschäftigten waren immer kreativ, um ihre Arbeitsplätze zu retten", sagte der Bochumer Betriebsrats-Chef Rainer Einenkel. " Aber man sollte nicht vorher ankündigen, was man macht. Dann ist es ja nicht mehr kreativ", fügte er hinzu. Ein Porträt des rührigen Arbeitnehmervertreters.

 (DR)

Rainer Einenkel arbeitet nicht einfach nur für Opel. Er trägt sogar Opel. Der Chef des Betriebsrats im bedrohten Werk Bochum hat ein Werkshemd an. Neben dem Logo des Autobauers prangt bei ihm der Namenszug «R. Einenkel» über der Brusttasche der Einheitskluft. Logisch, dass der 55-Jährige einen Opel Zafira fährt.

Seit 2004 führt Einenkel die Arbeitnehmervertretung bei Opel Bochum an. Momentan kämpft er wieder einmal für den Erhalt der Autofabrik im Ruhrgebiet. «Uns gibt es immer noch», sagt er mit einem Lächeln. Er sitzt gelassen an seinem Schreibtisch. «Was würde es auch nützen, wenn ich in dieser schweren Zeit auf Panik mache», sagt er und kratzt sich dabei kurz am Ärmel seiner Opel-Uniform.

Einenkel hat wenig Zeit. Sitzungen, Krisengespräche, Telefonate. In Berlin wird gerade wieder verhandelt über mögliche Investoren: Magna, Fiat, Ripplewood - oder doch die Insolvenz. Vor Einenkel liegt sein Diensthandy auf dem Tisch. Es ist auf lautlos gestellt. Aber der Vibrationsalarm geht im Minutentakt. Einenkel muss viel telefonieren. Mindestens elf Stunden am Tag ist er derzeit im Kampf für Opel im Einsatz. Er ist fast immer erreichbar.

Wenn er mal Pause macht vom Opel-Kampf, geht Einenkel an der Ruhr mit seinem Hund, einem Beaglemischling, spazieren. Oder er schaut sich im Fernsehen die Spiele des Fußball-Bundesligisten VfL Bochum an. Auch der Club habe ja wieder mal den Abstieg vermieden, sagt er.

Der eher kleine Mann mit der Halbglatze und der silbernen Brillenfassung tritt nicht auf wie ein mächtiger Arbeiterführer. Zwar kann Einenkel in internen Sitzungen auch laut und emotional werden, aber in der Öffentlichkeit spricht der Betriebsrat leise. Er sei «kontrolliert», sagt Einenkel über sich. Er verwendet oft doppeldeutige Formulierungen und garniert mit einer Prise Humor. Einenkel ist flexibel. Er hat Linke-Chef Oskar Lafontaine nach Bochum eingeladen, und er spricht regelmäßig mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU).

«Ich bin parteiisch, aber nicht parteipolitisch», sagt Einenkel. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkt die Hände entspannt hinter dem Kopf, wenn er über «interessante Veränderungen» bei einigen Politikern spricht. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) beispielsweise habe sich innerhalb von Wochen von seiner strikten Ablehnung einer Staatsbeteiligung an Opel distanziert. «Mal schauen, vielleicht wird sich Herr Guttenberg in ein, zwei Wochen noch weiter verändern», sagt Einenkel.

Seit 1972 arbeitet Einenkel bei Opel. Er ist kein gebürtiger Bochumer. Die Familie zog kurz vor dem Bau der Mauer 1961 von Sachsen ins Ruhrgebiet. Auch Einenkels Vater stand an den Werksbändern bei Opel Bochum seit das Werk in den 1960ern auf einem ehemaligen Zechengelände auch als Symbol des Strukturwandels errichtet worden war. Mittlerweile ist der Vater im Ruhestand. Einenkels Kinder im Alter von 16, 19 und 22 Jahren sind der Familientradition bisher nicht nach Opel gefolgt.

5000 Menschen sind derzeit bei Opel Bochum fest angestellt. In den 80er Jahren waren es noch rund 20 000. Schon damals war der Werkselektriker Einenkel im Betriebsrat - und Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Mit den DDR-treuen Realsozialisten hat er seit 1988 nichts mehr am Hut, aber das «Kapital» von Karl Marx habe er zumindest angelesen, erzählt Einenkel. Die DKP-Vergangenheit gehöre zu seiner Biografie. In seinem Büro hängt ein Foto der Kommunistinnen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg.

Der Kampf mit und für die Opel-Arbeiter ist für Einenkel zur Dauer- und Lebensaufgabe geworden. Falls die Bosse beim US-Mutterkonzern General Motors (GM) oder die Politiker zu harte Schnitte oder gar das Ende für Opel in Bochum beschließen sollten, ist mit Protesten der Opelaner in der Ex-Zechenstadt zu rechnen.

«Die Bochumer Opel-Beschäftigten waren immer kreativ, um ihre Arbeitsplätze zu retten», sagt Einenkel. Erneut also ein «wilder Streik» wie 2004, als die Opelaner einen Zukunftsvertrag für ihr Werk erkämpften? «Das war kein 'wilder Streik', sondern eine Informationsveranstaltung», sagt Einenkel und fügt hinzu: «Aber man sollte nicht vorher ankündigen, was man macht. Dann ist es ja nicht mehr kreativ." Eine Zukunft für Opel werde es sowieso ohne Bochum, dem «wettbewerbsfähigsten Werk», nicht geben.