Ohnesorgs Todesschütze soll Stasi-Spitzel gewesen sein

Fanal für eine ganze Generation

Als vor 42 Jahren am 2. Juni 1967 eine Polizeikugel in West-Berlin den Studenten Benno Ohnesorg tötete, eskalierten schlagartig die studentischen Proteste. Innerhalb kurzer Zeit erfassten sie fast alle Universitätsstädte und schufen die Grundlage für die nachfolgende 68er Bewegung. Jetzt berichten Medien, dass Ohnesorgs Todesschütze Stasi-Spitzel gewesen sein soll.

Autor/in:
Karl-Heinz Gräfe
 (DR)

Selbst die RAF-nahe "Bewegung 2. Juni" erinnerte mit ihrem Namen an den Tod Ohnesorgs. Jetzt wurde nach ZDF-Recherchen bekannt, dass der Polizist, der Ohnesorg erschoss, für die DDR-Staatssicherheit gearbeitet haben und zudem Mitglied der SED gewesen sein soll.

Allerdings warnen Historiker und Politiker davor, die Geschichte der Studentenproteste umschreiben zu wollen. Auch der Spionageexperte der Birthler-Behörde, Helmut Müller-Enbergs, sagte dem ZDF, es gebe keinen Hinweis in der Stasi Akte, dass der später freigesprochene Polizeiobermeister Karl-Heinz Kurras einen Auftrag hatte, Ohnesorg zu erschießen.

Zum Hintergrund
Beim Besuch des iranischen Staatsoberhauptes von Schah Rezah Pahlewi in Bonn und West-Berlin wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen. Vor der Deutschen Oper in der Berliner Bismarckstraße, wo dem Kaiserpaar Mozarts "Zauberflöte" vorgeführt wurde, herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. In dieser aufgeheizten Situation erschoss Kurras den in einen Hinterhof geflüchteten Ohnesorg. Sein Tod war wie ein Fanal für die späteren Studentenproteste, die sich über ganz Westdeutschland ausbreiteten.

Diese Proteste waren Bestandteil der in jenen Jahren über die Hochschulen hinaus wachsenden "Außerparlamentarischen Opposition" (APO). Sie sollte vor allem die nicht zu spürende Parlamentsopposition ersetzen, die sich seit Ende 1966 mit der Bildung der Großen Koalition auf die kleine FDP-Bundestagsfraktion beschränkte. Vorbild war die amerikanische Studentenbewegung, die gegen den Krieg der USA in Vietnam opponierte und gleiche Bürgerrechte für die schwarzen US-Amerikaner forderte.

"Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren"
Der Protest der heranwachsenden Generation galt zunächst den verkrusteten Hochschulverhältnissen. Die Hochschüler skandierten: "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren." Ins Visier geriet vor allem das "Establishment", die konservativen Eliten, die für die restaurativen Tendenzen in der Bundesrepublik verantwortlich gemacht wurden. Ein Reizthema bildete auch die ausgebliebene gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen erneut agierenden Amtsträgern.

Ab 1970 zerfiel die Protestbewegung, Teile drifteten in den Linksradikalismus oder den Terrorismus der RAF ab. Manche der "68er" traten den "Marsch durch die Institutionen" an - und kamen als Realpolitikern bis in Ministerämter.