Gesine Schwan sorgt für Anstöße

Die Professorin greift an

Selbst Kritiker bescheinigen ihr Ehrgeiz, Redegewandtheit und Scharfsinn. Professorin Gesine Schwan hat als SPD-Kandidatin die Wahl des Bundespräsidenten spannend gemacht und Amtsinhaber Horst Köhler zu einem echten Wettbewerb gezwungen. Vor fünf Jahren Köhler mit 589 zu 604 Stimmen nur knapp unterlegen, rechnet sich die 65-Jährige diesmal in der Bundesversammlung eine echte Chance aus, als erste Frau ins Schloss Bellevue einzuziehen. Das Rennen sei "völlig offen", betonte sie mehrfach.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

An mangelndem Selbstbewusstsein leidet die fröhliche Politologin mit der markanten Hochsteckfrisur nicht. Sie wolle das höchste Amt im Staat "anders machen" als Köhler, betonte sie in einer ganzen Serie von Interviews. Ihr Ziel sei es, "den Menschen die Demokratie wieder näherzubringen", indem sie die politischen Prozesse erkläre, grenzte sich Schwan vom "Bürgerpräsidenten" Köhler ab, der sich mehr als einmal gegen die politische Klasse gestellt hatte.

Die Professorin griff also an. Dennoch wurde die neuerliche Bewerbung Schwans um das höchste Amt im Staat nicht von allen Genossen begeistert unterstützt. Viele Sozialdemokraten waren mit der Amtsführung Köhlers eigentlich ganz zufrieden und scheuten die Wahl einer eigenen Kandidatin mit Hilfe der Linkspartei. Und so gilt es als offenes Geheimnis, dass Schwan nicht gerufen wurde, sondern ihre Kandidatur selbst betrieb. Der damalige Parteichef Kurt Beck habe es geschehen lassen.

Becks Nachfolger Franz Müntefering und dem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier wurde sogar vorgeworfen, Schwan links liegen zulassen. Daraufhin trat die SPD-Spitze auf öffentlichen Veranstaltungen demonstrativ gemeinsam mit ihr auf. Müntefering betonte: "Gesine Schwan ist unsere Kandidatin", Steinmeier bestand darauf, Schwan "mit ausgewählt" zu haben. "Ich stehe zu ihr", stellte er klar.

Gelegentlich aber sorgten zugespitzte Formulierungen der Kandidatin für Stirnrunzeln in der Parteiführung. So etwa zuletzt ihre Warnung einer "explosiven Stimmung" als Folge der Wirtschaftskrise. Die Äußerung passte nicht zur Strategie des Willy-Brandt-Hauses, die SPD als Garant besonnenen Handelns in der Krise erscheinen zu lassen.

Die Professorin ist eben alles andere als eine bequeme Person und schon gar keine Ja-Sagerin. Die am 22. Mai 1943 in Berlin geborene Gesine Schwan stammt aus einem engagierten Elternhaus, das im Nationalsozialismus zu Widerstandskreisen gehörte. 1984 flog sie aus der SPD-Grundwertekommission, weil sie den zu laxen Umgang ihrer Partei mit kommunistischen Regierungen kritisiert hatte.

Von Oktober 1999 bis September 2008 war die Wissenschaftlerin Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). 2004 heiratet Schwan, die aus erster Ehe zwei Kinder hat, zum zweiten Mal. Ihr Mann, Peter Eigen, ist Jurist und Gründer der Nichtregierungsorganisation Transparency International, die sich weltweit gegen Korruption engagiert. Anfang 2005 übernahm sie den neu geschaffenen Posten der Regierungskoordinatorin für die deutsch-polnischen Beziehungen.

Nach eigener Aussage geht Schwan gelassen in die Bundesversammlung. Bei allen entscheidenden Fragen ihres Lebens habe sie sich immer gesagt: "Du tust dein Bestes, wenn es nicht klappt, dann eben nicht." Dass sie aber entschlossen am Zaun des Bundespräsidialamtes rüttelt, daran ließ sich nie einen Zweifel.

Auch ihre im Vergleich zum beliebten Amtsinhaber äußerst bescheidenen Umfragewerte konnten daran nicht ändern. Nach dem Grundgesetz werde der Bundespräsident eben von der Bundesversammlung gewählt, "und nicht vom Volk", betonte sie. Sei sie erstmal im Amt, werde sie bald "eine große Zustimmung" bekommen. Jetzt braucht sie erstmal die Zustimmung der Bundesversammlung.