Horst Köhler hält Distanz zur Politik

"Der Bürgerpräsident"

Wenn die Deutschen ihr Staatsoberhaupt direkt wählen könnten, gäbe es gar keinen Zweifel daran, dass auch der nächste Bundespräsident Horst Köhler heißt. In jüngsten Meinungsumfragen lag der "Bürgerpräsident" mit einer Zustimmung von rund drei Viertel der Deutschen stets uneinholbar in Front. In der Bundesversammlung am 23. Mai dagegen könnte es spannend werden. SPD-Kandidatin Gesine Schwan tritt zum zweiten Mal gegen Köhler an - und das nicht ganz ohne Chancen. Dennoch zeigt sich der Amtsinhaber zuversichtlich für eine Wiederwahl. Es sei "sehr gelassen", sagte Köhler kürzlich.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Wahlkampf hat der Bundespräsident in den vergangenen Monaten natürlich nicht gemacht. Aber er reagierte. Kaum warnte Schwan vor einer "explosiven Stimmung" als Folge der Wirtschaftskrise, verurteilte Köhler scharf jegliche Panikmache. Bei seiner jüngsten "Berliner Rede" zur Wirtschaftskrise hatte er zuvor mit Aussagen überrascht, denen seine Herausforderin nur zustimmen konnte. Themen besetzen, heißt so was in der Politik. Köhler klopfte raffgierigen Bankern auf die Finger, forderte Moral und Verantwortung für die Märkte und mahnte eine grundsätzliche Reform der weltweiten Wirtschafts- und Finanzordnung an.

Der ehemalige IWF-Chef suchte damit auch das Image des Neoliberalen abzustreifen, dass ihm seit seiner Amtseinführung anhaftete. Der mit den Stimmen von Union und FDP gewählte Köhler begrüßte die "Agenda 2010" des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), und er wollte mehr. Unter dem Protest von SPD und Gewerkschaften propagierte er eine "Ordnung der Freiheit".

Auf die Befindlichkeiten der Parteien und Spitzenpolitiker nahm Köhler in seiner Amtszeit wenig Rücksicht, genau deshalb schätzen ihn die Bürger. "Offen und notfalls unbequem" wollte Köhler sein. Der Aussage vor seiner Wahl blieb er auch nach dem Antritt der großen Koalition treu. Ende 2006 war die Union nicht gut auf Köhler zu sprechen, nachdem er zwei Gesetzesvorhaben binnen kurzer Zeit nicht in Kraft treten ließ. Er sei "kein Unterschriftenautomat", ließ Köhler wissen. Außerdem sprach er sich für die Direktwahl des Bundespräsidenten aus. Das wäre "kein schlechtes Modell", sagte er beim Polit-Talk-Abschied von Sabine Christiansen 2007.

Bei seinem Amtsantritt hatte Köhler bereits eine beachtliche politische Karriere hinter sich - unter anderem als Staatssekretär im Finanzministerium und persönlicher Beauftragter von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) - aber ein klassischer Parteipolitiker ist er eben nicht. Der Finanzfachmann agiert als pragmatischer und effizienter Macher, nirgends war das besser zu erleben als bei seinen Reisen auf den schwarzen Kontinent. Selbst über Einzelheiten bestens informiert, fühlte er den afrikanischen Amtsträgern auf den Zahn - egal ob es um Korruption, Rechtssicherheit, Förderung von Bildung und Mittelstand, Machtgier der Eliten oder die Aids-Bekämpfung ging.

Diese Arbeitswut lässt er auch bei der Vorbereitung seiner Reden walten. Die Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes wissen von der schwäbischen Gründlichkeit ihres Chefs ein Lied zu singen. Köhler kam 1943 im damals von deutschen Truppen besetzten polnischen Skierbieszów zur Welt. Seine Familie floh vor der Roten Armee nach Markkleeberg bei Leipzig, in den 50er Jahren gelangte er schließlich nach Ludwigsburg bei Stuttgart.

Später studierte Köhler in Tübingen Wirtschaft, promovierte und ging nach Bonn, wo er im Bundesfinanzministerium bis zum Staatssekretär aufstieg. Verheiratet ist er mit Eva Luise Köhler, beide haben zwei Kinder. 1993 wurde er Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und sieben Jahre später Direktor des Internationalen Währungsfonds. Mit Köhler kam also erstmals ein Quereinsteiger ins Schloss Bellevue. Jetzt will er dort bleiben.