Noch während ihrer Tätigkeit in dem bayerischen Altenheim hatte Flähmig zusammen mit einer Kollegin die Vorgänge protokolliert. "Eine Mitarbeiterin misshandelte die Patienten auch körperlich", berichtet sie. Dabei seien nach ihrem Wissen bei den Opfern auch blaue Flecken zurückgeblieben.
In den Protokollen ist von einer Frau die Rede, der unwohl wahr und die so heftig gefüttert wurde, dass sie sich verschluckte und erstickte. Dabei soll die verantwortliche Stationsleiterin ebenso untersagt haben, einen Arzt zu holen wie bei einem 70 Jahre alten Mann, der an Lungenentzündung und Atemnot litt. Nach den Aufzeichnungen sollen drei Menschen auf der Station aufgrund unterlassener Hilfeleistung gestorben sein. Die Zustände waren offenbar seit Jahren bekannt. Eine Pflegerin, die versuchte, dagegen anzugehen, scheiterte aber nach Angaben Flähmigs: "Sie stand schlicht alleine da."
Die Staatsanwaltschaft Ansbach ermittelt gegen eine Stationsleiterin und eine Mitarbeiterin wegen des Verdachtes der fahrlässigen Tötung und der Körperverletzung. Die Mitarbeiterin wurde nach Angaben eines Sprechers der Diakonie mittlerweile fristlos entlassen, die Stationsleiterin beurlaubt.
"Die Verantwortlichen sind immer offen damit umgegangen"
Nachdem Flähmig in einem anderen Pflegeheim eine Stelle bekommen hatte und interne Hinweise keine Besserung brachten, ging sie mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit, informierte unter anderem Dinkelsbühls Oberbürgermeister Christoph Hammer (CSU). Der bestellte die Mitarbeiterinnen, die Leitung des Heims und das Diakonische Werk Dinkelsbühl-Wassertrüdigen sowie die Heimaufsicht Anfang April ins Rathaus.
Hammer betont die Bereitschaft des Heims, die Vorwürfe aufzuklären: "Die Verantwortlichen sind immer offen und ehrlich damit umgegangen". Im Übrigen sei die Einrichtung auch noch nie zuvor negativ aufgefallen. "Selbst wenn die Vorwürfe bestätigt werden sollten, müsste ich von Einzelfällen ausgehen", fügt er an.
"Es geht anders und ich kenne es auch anders"
Der Präsident des Diakonischen Werkes in Bayern, Ludwig Markert, kündigte am Montag in Dinkelsbühl an, die Vorwürfe "vollumfänglich" aufzuklären. Dabei sei die Selbstanzeige durch den Träger ein entscheidender Schritt. Markert nannte die Vorgänge "skandalös" und schloss auch personelle Konsequenzen nicht aus. Ausdrücklich lobte der Diakonie-Chef die beiden Mitarbeiterinnen, die den Skandal protokolliert haben. Sollten die Vorwürfe zutreffen, so sei die Diakonie ihnen "für ihren Mut und ihr Engagement zu großem Dank verpflichtet."
Für Stephanie Flähmig ist ihr Vorgehen selbstverständlich: "Sonst hätte ich mich in meinem Beruf nicht mehr wohl fühlen können." Die Argumentation, die Auswüchse seien Ergebnis einer eventuellen Arbeitsüberlastung, will sie nicht gelten lassen. "Es geht anders und ich kenne es auch anders", sagt die Pflegehelferin. Ausdrücklich nimmt sie die Mehrzahl der Mitarbeiter des Heims ins Schutz: "Das betraf auf gar keinen Fall das ganze Haus, nur diese eine Station."
Dokumentierte Missstände in einem Altenheim
Chronik eines Pflegeskandals
Die junge Frau war schockiert - über den Alltag auf der Pflegestation, über den Umgang mit den hilfsbedürftigen Menschen. Nur drei Monate hielt es die Pflegehelferin Stephanie Flähmig in dem Dinkelsbühler Altenheim der Diakonie aus, sie kündigte und brachte den Pflegeskandal an die Öffentlichkeit. Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Über Jahre hinweg sollen dort Patienten misshandelt und gedemütigt worden sein.
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