Ein Sportfestival für Kinder mit Down-Syndrom

Ein Wettkampf ohne Verlierer

Das Down-Syndrom ist ein genetischer Defekt. Die Körpermuskulatur der Betroffenen ist eher schlaff, oftmals sind sie anfälliger für Infekte und neigen zu Herzfehlern. Sport spielt für ihre Entwicklung eine wichtige Rolle. In Frankfurt am Main kommen heute 550 Teilnehmer mit Down-Syndrom zu einem Sportlerfestival zusammen.

Autor/in:
Kathrin Hedtke
 (DR)

Als das Pferd "Lili" auf dem Hof im Frankfurter Stadtteil Oberrad um die Ecke trabt, hüpft Meryem von der Holzbank und strahlt über das ganze Gesicht. Die Sechsjährige stürmt los, steigt auf eine Trittleiter und streckt ungeduldig die Arme aus. Mit roten Wangen reitet sie zusammen mit ihrer Reitlehrerin in Richtung Koppel. Auf den ersten Blick lässt sich nur an ihren Augen erkennen, dass Meryem ein bisschen anders ist. Sie hat Trisomie 21, besser bekannt als Down-Syndrom. Das Mädchen liebt Reiten, Tanzen, Rennen und Klettern. Deshalb will sie auch auf jeden Fall beim Down-Sportlerfestival in Frankfurt am Main mitmachen.

Nach Angaben der Veranstalter haben sich zu dem Wettkampf knapp 550 Teilnehmer mit Down-Syndrom angemeldet. Den Schwerpunkt bilden Kinder unter elf Jahren, doch es gebe keine Grenze nach oben, sagt Alexandra Mest vom Organisatorenteam. Je vier Teilnehmer treten in den Disziplinen Laufen, Springen und Werfen gegeneinander an. Außerdem steht unter anderem Tischtennis und Judo auf dem Programm. "Es ist nicht so wichtig, wer als erster ins Ziel kommt", betont Mest. Jeder Teilnehmer geht mit einer Medaille nach Hause.

Das Down-Syndrom ist ein genetischer Defekt. Die Körpermuskulatur der Betroffenen ist eher schlaff, oftmals sind sie anfälliger für Infekte und neigen zu Herzfehlern. Sport spiele für ihre Entwicklung eine wichtige Rolle, sagt Michelle Diehl vom Deutschen Down-Syndrom Infocenter. Je mehr sie sich bewegten, desto besser werde ihr Muskelgewebe. "Menschen mit Down-Syndrom können große sportliche Leistungen bringen", betont sie. Sport erfülle als regelmäßiges Hobby zudem eine wichtige soziale Funktion.

Als Meryem zum ersten Mal beim Sportlerfestival mitgemacht hat, war sie knapp zwei Jahre alt und lief noch an der Hand ihres Vaters. Mit einem viel zu großen T-Shirt und einem roten Luftballon in der Hand spazierte die Kleine in die Halle. "Beim Einzug der Sportler muss ich jedes Mal heulen", erzählt ihre Mutter Margot Gürbüz. Bei dem Fest träfen so viele Kinder mit Behinderung aufeinander, die Atmosphäre sei ergreifend. "Niemand guckt komisch", erklärt sie. Das sei im Alltag oft anders. "Viele Leute haben Angst vor Menschen mit Behinderung, egal welcher Art", berichtet Gürbüz. Die Leute wüssten nicht, wie sie damit umgehen sollten.

Noch sei Meryem egal, ob sie mit Kindern mit oder ohne Down-Syndrom spiele. Hauptsache, es gehe nach ihrem Dickkopf. Das Sportlerfestival sei vor allem toll für die Eltern, sagt Gürbüz. Während die Kinder spielten, kämen sie leicht ins Gespräch. Endlich könnten sie mal "ganz normal" sein und nicht auffallen. Schön sei auch, dass jedes Kind für seine Leistung belohnt werde. "Dieses Jahr bekommt Meryem ihre fünfte Medaille, das ist schon was", sagt die Mutter. Vergangenes Mal habe sie am nächsten Tag ihre Urkunde mit in den Kindergarten genommen und stolz allen gezeigt.

Von den anderen Jungen und Mädchen werde ihre Tochter toleriert, sie bemerkten aber den Unterschied. Kinder mit Down-Syndrom entwickeln sich in der Regel deutlich langsamer, Meryem hat noch Defizite beim Sprechen. Doch beim Klettern und Spielen stecke sie die anderen Kinder locker in die Tasche, berichtet Gürbüz. Von Anfang an habe Meryem Sport gemacht, erst Krankengymnastik, dann Babyschwimmen. Bis heute übt ihre Mutter jeden Tag mit ihr, sie werfen sich Bälle zu und toben auf dem Spielplatz.

"Ich will eine selbstständige Tochter", betont Gürbüz. Sie wünscht sich, dass Meryem irgendwann einen Freund hat und vielleicht sogar Kinder bekommt. Da sie in ihrem Leben immer wieder auf Menschen mit Vorurteilen treffe, müsse sie stärker sein als andere, sagt Meryems Mutter. Als die Sechsjährige auf dem Rücken des Pferdes zurück auf den Reiterhof kehrt, verzieht sie ihr Gesicht und kneift die Augen zusammen. Sie weiß ganz genau, was sie will: "Weiterreiten."