Scheich Taisir Al-Tamimi sorgt erneut für Eklat beim interreligiösen Treffen mit dem Papst

Deja-vu

Es war fast ein Deja-vu: Scheich Taisir Al-Tamimi mit einer erregten arabischen Ansprache am Mikrofon; Unruhe im Auditorium des vatikanischen Notre-Dame-Zentrums von Jerusalem und betroffenes Schweigen auf dem Podium mit dem Papst: Zum zweiten Mal hat der muslimische Vertreter bei einem interreligiösen Treffen mit dem Kirchenoberhaupt in Jerusalem einen Eklat provoziert.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

In den Hintergrund trat die Ansprache von Benedikt XVI., in der er die Gläubigen aller drei monotheistischen Religionen zum einmütigen Bekenntnis des einen Schöpfergottes in einer säkularen Welt aufrief. «Eine Katastrophe», meinte der wütende Franziskaner-Kustos Pierbattista Pizzaballa anschließend.

Eigentlich hatten die Organisatoren des interreligiösen Treffens genau dieses Szenario verhindern wollen. Nachdem schon bei der entsprechenden Begegnung mit Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 eben hier sowohl der jüdische als auch der muslimische Vertreter das Podium für ein leidenschaftliches Plädoyer für Jerusalem als «ewige Hauptstadt» ihres jeweiligen Volkes missbraucht hatten und Tamimi damals den Saal vorzeitig verlassen hatte, hätten bei diesem Treffen nur unverdächtige Redner zu Wort kommen sollen: neben Benedikt selbst der Lateinische Patriarch Fouad Twal als Gastgeber und der Koordinator des Religiösen Rates von Jerusalem, Trond Bakkevik.

Dann jedoch trat Tamimi, oberster Richter des Islamischen Gerichts von Palästina, entgegen dem Programm ans Mikrofon und sprach ohne Punkt und Komma mit stetig wachsendem Volumen: Dass Jerusalem seit den Zeiten Saladins «ewige Hauptstadt» seines Volkes sei; dass Israel den Muslimen das Beten an der Klagemauer ebenso verwehre wie den Christen an Ostern in der Grabeskirche; und dass sich der Papst doch für die palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen einsetzen möge. Das war seine Antwort auf die Begegnung des Kirchenoberhauptes mit dem Vater des von der Hamas entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit zuvor bei Staatspräsident Schimon Peres.

Da die Rede auf Arabisch gehalten wurde, dämmerte den meisten Zuhörern - geladen waren die Vertreter von mehr als 100 im interreligiösen Dialog engagierten Gruppierungen - nur langsam, dass gerade etwas schief ging. Zweimal versuchte Patriarch Twal, den erregten Scheich zu unterbrechen - ohne Erfolg. Der jüdische Vertreter, der würdige Oberrabbiner von Haifa, Schar Jischuw Cohen, saß mit gesenktem Haupt schweigend neben dem Rednerpult.

Als Tamimi schließlich fertig war, ertönte im Saal vereinzeltes Klatschen; vor allem jedoch herrschte peinlich berührtes Schweigen. Nachdem offenbar niemand wusste, wie es nun weitergehen sollte, verließen die Gäste einer nach dem anderen nach einer freundlichen Verabschiedung von Papst Benedikt XVI. das Podium. Zu der gelanten Überreichung von Geschenken kam es nicht mehr.

Dabei hatte der israelische Jesuit David Neuhaus als Organisator des Treffens die Katastrophe noch verhindern wollen, indem er heftige Zeichen zum Podium sendete, den Scheich nicht ans Mikrofon zu lassen. Der Vatikan bemühte sich anschließend um Schadensbegrenzung: Die Intervention Tamimis sei nicht vorgesehen gewesen und stehe im völligen Gegensatz zu dem, was interreligiöser Dialog eigentlich sein solle, sagte Sprecher Federico Lombardi. Man hoffe, dass der Zwischenfall nicht der Mission des Papstes für Frieden und Dialog schaden werde. Auch Patriarch Twal selbst versuchte gute Mine zum bösen Spiel: «Nur zwei Worte der Begrüßung» habe Tamimi dem Papst sagen wollen - und die habe er ihm gutgläubig zugestanden.

Nach Ansicht der Teilnehmer des Treffens ist der Schaden jedoch schon da: «Wie sollen wir den Israelis jetzt noch glaubhaft vermitteln, dass man mit den Palästinensern einen Kompromiss über Jerusalem finden kann?» fragen zwei jüdische Vertreter. «So können wir nicht weitermachen.» Der Generaldirektor des Oberrabbinats, Oded Wiener, entschuldigte sich öffentlich für die Blamage, die der Zwischenfall für Papst Benedikt XVI. bedeute. Solange Tamimi Beauftragter der Jerusalemer Muslime für den interreligiösen Dialog sei, werde sich das Oberrabbinat nicht mehr an den Gesprächen beteiligen.

Aber auch unter Palästinensern geht man hart mit dem Scheich ins Gericht: Sie verstehe, dass Muslime das «Unrecht der israelischen Besatzung» zur Sprache bringen wollten, sagt etwa Caritas-Jerusalem-Chefin Claudette Habesch. Aber der Ort sei für die Ansprache Tamimis ebenso unpassend gewesen wie Anlass und Stil. Pater Thomas Maier von den Weißen Vätern reagiert am Ende des Abends gelassen: «Wir sind im Nahen Osten», meint er, «da ist man Unvorhergesehenes gewohnt.» Natürlich werde der Dialog weitergehen - jetzt erst recht.