Der Schriftsteller Amos Oz wird 70 Jahre alt

Das Gewissen Israels

Es war ein Skandal. Als Amos Oz 1998 den angesehenen Israel-Preis bekommen sollte, brach eine politische Kontroverse los. Rechte Politiker wollten die Ehrung vor Gericht verhindern. Der friedensbewegte Autor, der am Montag 70 Jahre alt wird, erhielt den Preis selbstverständlich. Aber die Anekdote aus dem Jahr 1998 zeigt, wie fremd der Autor dem Land manchmal ist.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)


Nicht das Land dem Autor. Ein Vollblut-Israeli. Amos Oz ist Träumer und Realist, Kämpfer und Friedensfreund, Traktorfahrer und Literaturprofessor. Der wichtigste israelische Schriftsteller der Gegenwart steht für die Generation schon im Lande geborener Israelis. Gebildet, humorvoll und nachdenklich zugleich. «Wenn Du nicht mehr schreien kannst, dann lache», lehrte ihn seine Großmutter.

Familiennamen von Israelis lassen sich oft gut ins Deutsche übertragen. Nach der Staatsgründung 1948 wählten die Einwanderer und deren Nachkommen sinnreiche hebräische Namen. So wurde 1954 aus dem 15-jährigen Amos Klausner Amos Oz. «Oz» bedeutet «Kraft». Das passt zum Leben und zur Ausstrahlung des heute weltbekannten Autors mit dem Vornamen eines Propheten.

Der Sohn einer aus Polen und Russland geflohenen Familie ist auch ein Europäer jenseits Europas. Seine Eltern, sagt Oz, waren «Europäer zu einer Zeit, als in Europa niemand Europäer war». Die Mutter sprach sechs oder sieben Sprachen, der Vater zwölf. «Doch meine Eltern wollten, dass der Sohn nur Hebräisch lernte. Vielleicht hatten sie Angst, dass ich, wenn ich ein, zwei Sprachen spreche, dahin zurückkehre, von wo sie geflohen waren.»

Bis 1986 gehörte Oz einem Kibbuz an, seitdem lebt er mit seiner Familie in der Negevstadt Arad. Seine Werke sind häufig sehr leise und vermitteln, manchmal fast quälend, manchmal mit feiner Sympathie, Stimmungen aus dem jungen Staat Israel. Milieustudien, in denen Jerusalem und wiederholt der Kibbuz zum Mikrokosmos werden. Melancholie über das Verlorene, Vertrauen, fremd bleibende Freundschaften, Beziehungen, Scheitern. Das gilt gerade für viele der Romane, die mittlerweile in über 30 Sprachen übertragen wurden, seit 1968 «Mein Michael» den internationalen Durchbruch brachte. Und in seinen Kinderbüchern erscheint seine heute im orthodoxen Mea Schearim versunkene Jerusalemer Welt der Kindheit so klein wie unbegrenzt. Oz ist Chronist der israelischen Gesellschaft. Und auch ein Teil ihres Gewissens.

Das Land tat sich mit diesem Chronisten eben nicht leicht. Oz war Mitbegründer der Friedensbewegung Schalom achschaw (Frieden jetzt). In einem Interview 1998 erzählte er von seiner Liebe zu Israel. «Es ist keine blinde Liebe. Dieser immer währende lautstark ausgetragene Konflikt, dieser Irrsinn, dass man die zwei Israelis findet, die einer Meinung sind - ich finde das alles nicht leicht, aber sehr sexy. Ich bin magisch angezogen von Israels Realität, auch wenn sie nie nur wunderbar ist.»

Auch im jüngsten Gaza-Konflikt beklagte er Fanatismus auf beiden Seiten. «Wenn es uns gelingt, die Fanatiker in Schach zu halten, finden wir uns selbst in der Lösung eines Streits um Grund und Boden wieder, nicht in einem Heiligen Krieg», meinte er. Für den Ausbruch der Kampfhandlungen machte er die palästinensische Hamas verantwortlich und drängte dann bald auf einen Waffenstillstand

Ehrungen, die ihm längst weltweit zukommen, gelten sicher nicht nur seinem literarischen Werk, sondern auch dem Engagement für sein Land. Unter anderem erhielt er 1992 Oz den Friedenspreis des deutschen Buchhandels, 2007 den Prinz-von-Asturien-Preis, 2008 den Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf und den hoch dotierten Dan David Prize.

Trotz der Kritik, der sich Oz in seinem nach rechts abdriftenden Land immer wieder ausgesetzt sieht: Er wird seine Ehrung bekommen zu seinem Geburtstag, auch im eigenen Land. Vom 7. bis 9. Mai feiert seine Heimatstadt Arad mit einer ganzen Reihe von Kulturveranstaltungen. Und Präsident Shimon Peres kommt eigens in die Wüstenstadt, um den Autor zu ehren.