An biblischer Stätte arbeiten Bagger für die Papstmesse

Der Papst betet, wo Gott richtet

Betonmischer und Traktoren wühlen derzeit das Jehoschafat-Tal zwischen Ölberg und Tempelberg in Jerusalem auf. "Falls wir nicht fertig werden, rufe ich eben den Papst an und bitte ihn, einen Monat später zu kommen", sagt Ibrahim Jamil, katholischer Araber aus der Altstadt von Jerusalem, und lacht. Im Auftrag des Franziskaner-Kustos soll der Unternehmer das biblische Tal pünktlich bis 16:30 Uhr am 12. Mai in eine Arena für die Papstmesse in Jerusalem verwandeln.

Autor/in:
Ulrich W. Sahm
Jerusalem: Gebet an der Klagemauer am Tag vor Jom Kippur (epd)
Jerusalem: Gebet an der Klagemauer am Tag vor Jom Kippur / ( epd )

In dem idyllischen Streifen Land zwischen dem Garten Gethsemane im Osten und dem zugemauerten Goldenen Tor ist das wild wachsende Frühlingsgrün unter den Olivenbäumen schon weggeräumt. Fliesenleger erneuern die Stufen talabwärts für jene Pilger, die aus der Richtung des griechisch-armenischen Mariengrabs kommen. Nur 5.000 Christen mit einem Ticket werden nach scharfen Sicherheitskontrollen eingelassen, ehe Benedikt XVI. die Tribüne betritt. «Unter der Tribüne werden wir einen kleinen Raum schaffen, der als Sakristei dienen kann», berichtet Jamil.

Das Jehoschafat-Tal ist selbst im geschichtsträchtigen Jerusalem nicht irgendein Ort. Nur 20 Meter hinter der Papsttribüne erhebt sich das in den Fels gehauene Absalomsgrab. Es wurde vor 2.000 Jahren errichtet, vermutlich für eine Priesterfamilie, und ist geschmückt mit Säulen, einem konischen Aufsatz im ägyptischen Stil und einer Lotusblüte. Weil es über Jahrhunderte für das Grab des Absalom, des biblischen Verräters und Sohns von König David, gehalten wurde, ist das Monument wunderbar erhalten: Juden, Christen wie Muslimen bewarfen es der Überlieferung zufolge mit Steinen - so dass es alten Berichten zufolge völlig verschüttet wurde und im 19.
Jahrhundert wohlbehalten ausgegraben werden konnte.

Dort machte im Sommer 2003 der US-israelische Archäologe Joe Zias per Zufall eine sensationelle Entdeckung: eine fast unsichtbare griechische Inschrift an einem Eingangsloch an der Südseite des Grabmals. «Dies ist das Grab des Zacharias, Märtyrer, sehr frommer Priester, Vater von Johannes» (des Täufers). Zacharias wurde zusammen mit Jakobus «nahe dem Tempel» in Jerusalem begraben. Zias Fund belegte, dass das allseits bekannte «jüdische» Grabmal in byzantinischer Zeit um 300 nach Christi ein wichtiges christliches Heiligtum war.

Und noch eine weitere biblische Überlieferung ist eng mit dem Tal verknüpft: Der Prophet Joel hatte die Vision, dass Gott alle Nationen nach Jehoschafat hinabführen werde, um sie zu richten wegen der Zerstreuung seines Volkes Israel. Das werde geschehen, wenn am «Ende der Tage» die «trockenen Knochen» auferstehen, wie es der Prophet Ezechiel vorhersieht.

Auf das Jüngste Gericht warten auch die etwa eine halbe Million jüdischen Gräber, die auf dem 3.000 Jahre alten Friedhof des Ölbergs liegen, zu dessen Füßen der Papst die Messe feiern wird. Dort ist auch nach muslimischer Vorstellung der Eingang zum Paradies nahe: im Felsendom, dessen goldene Kuppel von der päpstlichen Tribüne aus gerade noch zu sehen ist.

Während die Muslime ihre Toten zu Füßen der Umfassungsmauer des Tempelplatzes begraben, diente das Jehoschafat-Tal selbst zwischen
1948 und 1967 kurzzeitig als christlicher Friedhof. Während der nur
19 Jahre andauernden Teilung Jerusalems waren die im jordanischen Ostteil lebenden Christen von ihren traditionellen Friedhöfen auf dem Zionsberg abgeschnitten, weil dieser zu Israel gehörte. «Wir renovieren gerade etwa 100 christliche Gräber», berichtet Jamil.

Dem Totengedenken diente auch ein Gelände am Abhang des Ölbergs namens «Dominus Flevit». Der Passionsgeschichte zufolge soll Jesus dort geweint haben, als er Jerusalem erblickte. Aus dieser Zeit finden sich hier noch Grabkammern mit sogenannten Ossuarien, also Knochenkästen. Jetzt erhebt sich in unmittelbarer Nähe eine christliche Kapelle, die von Franziskanerpater Robert Jauch betreut wird. Dank der exponierten Lage des Kirchleins wird der Ordensmann bei der Papstmesse einen Logenplatz haben - hoch über den 5.000 Pilgern im Jehoschafat-Tal.