Die Präsidentin des Familienbundes der Katholiken Elisabeth Bußmann im Interview zur Kinder-Grundsicherung

Im Wortlaut

 (DR)

domradio: Das Bündnis „Kindergrundsicherung" nennt das aktuelle Fördersystem „schrottreif". Das System solle nicht länger repariert, sondern abgewrackt werden. Wie sehen Sie das?
Bußmann: Richtig ist: Es wird dringend auf Antworten gewartet. Die wirtschaftliche Situation von Familien muss verbessert und gesichert werden. Es ist zu begrüßen, dass verbandsübergeifende Diskussionen geführt werden, um die Situation von armen Familien stärker in den Blick zu nehmen. Man kann festhalten, dass wir ein breites Instrumentarium in der Familienpolitik haben. Das Problem ist aber, das dieses Instrumentarium nicht ausreichend ausgebaut ist. Die wirtschaftliche Situation von Familien ist somit weiterhin außerordentlich schwierig. Zu fragen ist aber, ob eine pauschalisierte Zuwendung von 500 Euro der richtige Weg ist. Ich würde gerne darauf hinweisen, dass es wichtig ist, den Familien Lebensphasen bezogene Leistungen zu gewährleisten. Das ist eine treffsichere und bedarfbezogene Finanzierung. Es gibt zu Recht unterschiedliche Instrumentarien für die Familiensituation, so dass eine einheitliche Absicherung von 500 Euro nicht der richtige Weg ist.

domradio: Was wäre an dem neuen System gerechter?
Bußmann: Familien hätten in der tatsächlichen Lebenssituation bis zum 27. Lebensjahr eines jeden Kindes tatsächlich auch bedarfsbezogene Leistungen. Denken Sie an das Elterngeld, das leider nur ein Jahr gezahlt wird. Der Familienbund fordert eine Anschlussleistung bis zum dritten Lebensjahr. Das Bafög ist situationsspezifisch und trifft auch dann den tatsächlichen Bedarf der Familien.  

domradio: Durch eine „Kindergrundsicherung" würden Kosten von etwa 100 Milliarden Euro entstehen. Laut den Befürwortern könne ein Großteil der Kosten gedeckt werden. Etwa durch den Wegfall bisheriger Leistungen wie Kindergeld, Sozialgeld, Bafög und durch das Versteuern der Grundsicherung. Ist das eine realistische Einschätzung?
Bußmann: Die Finanzierung halten wir für sehr bedenklich. Es wird in dieser Finanzierung ein erheblicher Satz Selbstanteil von Familien verlangt, somit ist der Vorschlag für uns inakzeptabel! Denken sie an das Beispiel des Ehegattensplittings. Zunächst wird es den Ehegatten weggenommen, um es dann wieder auf anderer Weise zuzuführen: Das ist eine Selbstfinanzierung, die wir in keiner Weise gut heißen.

domradio: SPD und Grüne haben sich grundsätzlich für eine staatliche Grundsicherung für Kinder ausgesprochen. Die familienpolitische Sprecherin der Grünen plädierte aber für einheitlich 330 Euro pro Monat. Was sagen Sie zu diesem Vorschlag?
Bußmann: Zunächst möchte ich festhalten, dass dieser Diskussionsanstoß in die öffentliche Debatte hineinführt. Tatsächlich hat auch der Familienbund der Katholiken berechnet, dass wenigstens 300 € Kindergeld pro Monat, neben den anderen Familienleistungen, zu zahlen ist. Richtig ist auch, dass die Situation der Familien und der Kinder, die unter der Armutsgrenze leben oder armutsgefährdet sind, verbessert werden muss. Vom Grundsatz her möchte ich wiederholt betonen, dass eine lebensphasenbezogene Leistung den Familien tatsächlich zu Gute kommt.