Ehemaliger Stasi-IM scheitert mit Klage gegen die Veröffentlichung eines historischen Fotos

"Meilenstein gegen das Vergessen"

Ehemalige Spitzel der DDR-Staatssicherheit müssen im Zusammenhang mit historischen Fotos die Veröffentlichung ihres Klarnamens hinnehmen. Andernfalls würde die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit "in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt", entschied das Landgericht München I am Mittwoch. Für den einstigen DDR-Oppositionellen Joachim Heinrich ist das Urteil ein "Meilenstein gegen das Vergessen".

Autor/in:
Susann Huster
 (DR)

«Der Richter hat eine sehr klare Sprache gesprochen», betonte Heinrich, der in den 80er Jahren als Leiter einer Erfurter Umweltgruppe selbst Zielscheibe von Spitzeln des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war. Er habe den Kläger damals kennengelernt, aber nichts von dessen Stasi-Tätigkeit gewusst, berichtete Heinrich. Das Münchner Urteil sei der erste Richterspruch seit zwei Jahren, bei dem die Klage eines einstigen Stasi-Mitarbeiters abgewiesen wurde. Es habe deshalb eine «besondere Bedeutung».

«20 Jahre nach dem Ende der friedlichen Revolution haben die Richter endlich die bislang vielfach erfolgreichen Versuche einstiger Täter gestoppt, DDR-Unrecht systematisch mit Mitteln des Rechtstaates aus der Geschichtsschreibung zu löschen», sagte Heinrich. Das Urteil sei zwar noch nicht rechtskräftig. Der Sachverhalt sei jedoch so klar, dass der Kläger in einem Berufungsverfahren seiner Ansicht nach «kaum eine Chance» hätte.

Die Münchner Richter hatten entschieden, dass weder das Bild noch der Name des Mannes von der Internetseite stasi-in-erfurt.de entfernt werden müssen. Es zeigt, wie ein Militärstaatsanwalt im Dezember 1989 Räumlichkeiten des MfS versiegelt. Auf diesem Foto ist auch der Kläger zu sehen. Neben dem Bild stehen sein Name und seine Funktion bei der Stasi. Heinrich sagte, dass er das strittige Foto während des Prozesses nicht von seiner Website genommen habe.

In der Urteilsbegründung hieß es, die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit würden in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt, wenn über historische und geschichtlich bedeutsame Ereignisse nicht voll umfänglich berichtet werden dürfte.

Der Kläger mit dem Decknamen «Schubert» war 1981 vom MfS als Informeller Mitarbeiter (IM) angeworben worden. Seit 1989 war er laut Gericht als IMB tätig, wurde also über die Informationsbeschaffung hinaus als einer von nur wenigen IM zur Zersetzung, Zerschlagung oder Zurückdrängung von «Feinden» eingesetzt. «Gerade die Besonderheit des Augenblicks und die Funktion, die der Kläger seinerzeit eingenommen hatte, lassen die Veröffentlichung seines Bildnisses als gerechtfertigt erscheinen», befanden die Richter.

Der Historiker Jochen Staadt vom Berliner Forschungsverbund SED-Staat nannte den Richterspruch «ermutigend». Die Geschichtswissenschaftler seien durch bisherige Urteile, durch die bereits Bücher gestoppt worden waren, sehr verunsichert. Das Münchner Urteil sei «sehr gut» angesichts der bisher widersprüchlichen Rechtsprechung.