Der Inselstaat Tuvalu kämpft gegen den Untergang

Atoll vor dem Aus

Irgendwie ist Tuvalu immer dabei - noch. Erst recht, wenn Ende dieses Jahres in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen der große UN-Klimagipfel tagt. Denn der 11.000-Einwohner-Staat am anderen Ende der Welt ist von den Auswirkungen des Klimawandels unmittelbar betroffen.

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

"Tuvalu ist ein Symbol, weil es eine ganze Nation ist, die untergehen könnte," sagt Fanny Heros von der französischen Nichtregierungsorganisation "Alofa Tuvalu", die für die neun Atolle im Südpazifik kämpft.

Mit seinen gerade einmal 26 Quadratkilometern Landesfläche rangiert der Zwergstaat nur knapp vor dem Vatikan. Die ringförmigen Inseln erheben sich nur wenige Zentimeter über den Meeresspiegel. Der höchste "Gipfel" ragt vier Meter aus den Wasser. An manchen Stellen bieten die schmalen Atolle nur Platz für eine Straße. Deshalb ist Tuvalu von allen Seiten bedroht: vom steigenden Meeresspiegel, von Bodenerosion, von Stürmen und von Springfluten. Die Vorboten des Wandels bekommen die Menschen heute schon zu spüren. So steht zum Trinken nur noch Regenwasser zur Verfügung. Schon 20 Zentimeter unter der Erde liegt der Meerespegel. Was unter diesen Bedingungen noch gedeiht, sind Kokospalmen. Sie halten die Erosion auf, werden jedoch durch die immer häufiger wiederkehrenden Stürme umgeknickt.

Die Einwohner haben den Kampf noch nicht aufgegeben
Noch jedoch haben die Einwohner Tuvalus den Kampf nicht aufgegeben, wie Fanny Heros berichtet. Zwar sind bereits 3.000 Tuvaluer ausgewandert, vornehmlich nach Neuseeland und Australien. Aber der Plan der verbliebenen Insulaner ist ein anderer: Vorbild sein in Sachen Umweltpolitik und Ressourcen sparen. So bestehen 70 Prozent des Mülls in Tuvalu aus organischen Abfällen. Und die werden inzwischen entweder in einer Biogasanlage zu Energie umgewandelt oder als Kompost benutzt. Kokosöl dient als Grundlage für die Produktion von Agrartreibstoffen. Vor Überflutungen geschützte Hochgärten sollen die Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen und helfen, die Importquote und den damit verbundenen Ausstoß der umweltschädlichen Treibhausgase zu minimieren.

Regierungschef Apisai Ielemia hat den Kampf gegen den Klimawandel zur obersten Priorität erklärt und versucht immer wieder, die Öffentlichkeit über die Probleme seiner Heimat aufzuklären. Diesem Anliegen dient seit neuestem auch ein Comic mit dem Titel "Hilfe, wir gehen unter". Das von "Alofa Tuvalu" finanzierte Heft liegt inzwischen in neun Sprachen vor und soll Kinder in den westlichen Industrienationen über sparsame Energienutzung aufklären. Die Botschaft ist klar: Wenn nur Tuvalu sein Verhalten ändert, wird sich an der bedrohlichen Gesamtsituation nichts ändern.

"Das ist in Ozeanien insgesamt ein Thema"
Umso dringender ist das internationale Engagement jenseits aller wolkigen Bekenntnisse zum Thema "Nachhaltigkeit". Deshalb kritisierten viele Nichtregierungsorganisationen auch die jüngste Klimakonferenz in Bonn, bei der sich Vertreter aus 175 Staaten am Mittwoch nur auf Minimalforderungen einigen konnten. Wenn die Bundesregierung bis zur nächsten Verhandlungsrunde im Juni keine konkreten Angebote mache, dann würde das "den Eindruck erwecken, dass die Frage von Managergehältern und Abwrackprämien wichtiger ist als die Zukunft derer, denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht", sagt "Brot für die Welt"-Experte Thomas Hirsch.

Auch Misereor-Länderreferentin Corinna Broeckmann weiß um die Probleme von Tuvalu und anderen Staaten der Region. "Das ist in Ozeanien insgesamt ein Thema, ganz Mikronesien mit Kiribati und die Fidschi-Inseln sind bedroht", warnt die Mitarbeiterin des katholischen Hilfswerks. Die meisten Fachleute sind sich einig: Wenn nicht bald etwas geschieht, dann ist die populäre Internet-Domain ".tv." möglicherweise das einzige, was von Tuvalu übrig bleibt.