Irakische Familie bereitet sich in Friedland auf die Zukunft vor

"Mehr Sicherheit als in Deutschand gibt es nicht"

 (DR)

Becher stehen auf dem Tisch bereit. Eine Plastikflasche ist mit einem zitronenfarbigen Instantgetränk gefüllt, das an fast vergessene Jugendherbergszeiten erinnert.
Ebtesam Farhan schenkt ein. Das Zimmer mit den schmalen Etagenbetten, dem Babybettchen und der Vitrine, in der eine Menge Spielsachen auf die dreijährige Noor und den sieben Monate alten Edmon warten, ist das erste Zuhause der Familie Al Khameesi in Deutschland. In der einstöckigen Baracke im Grenzdurchgangslager Friedland leben ansonsten Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Bilder von Schutzengeln schmücken viele Türen.

«Mehr Sicherheit als in Deutschland gibt es nicht», ist Sabah Al Khameesi überzeugt. Als er vor fast drei Wochen aus dem Flugzeug stieg, das die ersten 122 irakischen Flüchtlinge aus dem syrischen Exil nach Deutschland brachte, da hat er sich gefühlt wie neu geboren, erinnert er sich. «Jetzt», sagt der 42-jährige Familienvater aus Bagdad, «sind wir in Frieden». Nach vier Tagen im Integrationskurs, der drei Monate lang grundlegende Sprachkenntnisse vermitteln soll, kann er das Alter seiner Kinder schon auf Deutsch sagen. «Schon bald nach der Ankunft haben die ersten Iraker mit 'Guten Tag' gegrüßt», erzählt Heinrich Hörnschemeyer, der Leiter der Grenzdurchgangslagers.

Sie haben die Helfer verblüfft mit ihrer Unkompliziertheit und Lernbereitschaft. Die 19 Erwachsenen, die den Bundesländern Niedersachsen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zugeteilt sind und die Möglichkeit haben, in Friedland am Integrationskurs teilzunehmen, nahmen das Angebot gerne an. Zwei Jugendliche besuchen mit den jungen Aussiedlern zusammen die Schule. Nur die kleine Noor fremdelt noch ein bisschen im Kindergarten.

Die Familie Al Khameesi gehört zur religiösen Minderheit der Mandäer. Die Taufe ist wichtig in ihrem Glauben, an entscheidenden Punkten im Leben wird sie wiederholt. Johannes der Täufer gilt den Mandäern als religiöse Autorität. Die Eheleute erzählen von ihrer Hochzeit, vor der sie in rituellen weißen Gewändern im Wasser untertauchten. Dann unterbricht sich Sabah Al Khameesi: «Eigentlich sprechen wir nicht über unseren Glauben. Wir sind im Irak immer unter uns geblieben.» Unter der Herrschaft Saddam Husseins konnten sie unbehelligt leben, der Diktator rühmte die Mandäer gar als «goldene Kultur». Das Wortspiel deutet an, dass viele Mandäer wie auch Sabah Al Khameesi traditionell als Goldschmiede arbeiten. Doch eines Tages wurde er auf dem Weg zur Arbeit von Vermummten bewusstlos geschlagen. Ob es Milizen, Kriminelle oder religiöse Fanatiker waren, weiß er nicht, und es war ihm auch egal. Er wusste nur, dass er wegmusste aus dem Irak.

Dreieinhalb Jahre hat die Familie in Syrien im Exil verbracht. Sie lebten von ihren Ersparnissen, so sparsam es irgendwie ging. Sabahs Eltern sind noch immer dort. Ebtesams Schwester harrt wider Willen in Bagdad aus. «Jeder will weg aus dem Irak», sagen die Al Khameesis. Aber das bedeutet, sich jahrelang in Syrien oder Jordanien durchschlagen zu müssen, ohne zu wissen, ob sich je eine Chance ergibt, in ein westliches Land weiterzuwandern.

Er würde jede Arbeit annehmen, die sich ihm in Deutschland bietet, versichert Sabah Al Khameesi. Helfen könnte vielleicht ein Onkel seiner Frau, der in Nürnberg als Goldschmied arbeitet. In München residiert das religiöse Oberhaupt der Mandäer in Deutschland, also wäre auch eine Gemeinde in erreichbarer Nähe. Doch die Familie ist der Stadt Schwerin am anderen Ende der Republik zugeteilt. «Als wir in Syrien befragt wurden, wussten wir den Namen Nürnberg nicht», erklären sie. Jetzt hofft die Familie, noch einmal Glück zu haben und in absehbarer Zeit umziehen zu können. «Inschallah - wenn Gott will.»