Discounter führte geheime Krankenakten von Mitarbeitern - Unterlagen zufällig in Bochumer Mülltonne gefunden

Neuer Skandal bei Lidl

Der Discounter Lidl hat in der Vergangenheit die Gründe für Krankheiten von Mitarbeitern in firmeninternen Unterlagen festgehalten. Wie das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete, geht dies aus mehreren hundert Seiten firmeninterner Unterlagen hervor, die durch Zufall in einer Mülltonne in Bochum entdeckt wurden. Lidl-Deutschland-Chef Frank-Michael Mros bestätigte die Existenz der Formulare.

 (DR)

In einer Stellungnahme des Unternehmens hieß es, mit den Listen werde seit dem Jahreswechsel nicht mehr gearbeitet. Grünen-Chefin Claudia Roth übte scharfe Kritik an dem Discounter.

Dem Magazin zufolge setzte Lidl offenbar bundesweit Vordrucke ein, in denen der «Grund der Krankheit» von Mitarbeitern eingetragen werden sollte. So stehe dort über eine Mitarbeiterin, die im Juni 2008 krankgeschrieben war: «Will schwanger (werden). Befruchtung nicht funktioniert». Über andere Mitarbeiterinnen gebe es Einträge, wie «Stationäre Behandlung in neurologischer Klinik» oder «Private Probleme».

Lidl-Deutschland-Chef Mros versicherte dem Magazin, dass die Formulare seit Mitte Januar nicht mehr verwendet würden. Lidl unternehme «alles Erdenkliche, damit dem Datenschutz in unseren Gesellschaften und Filialen Rechnung getragen wird», sagte Mros.

Das Unternehmen betonte, in dem Bericht gehe es um «Altfälle» aus dem vergangenen Jahr. «Bis dahin waren diese Listen dafür genutzt worden, das Personal richtig einzusetzen», hieß es. Das Vorgehen sei nicht datenschutzkonform gewesen. Es habe jedoch dazu gedient, «die Mitarbeiter ihrem gesundheitlichen Zustand entsprechend einzusetzen».

Lidl arbeite seit April 2008 an einem «ganzheitlichen Datenschutzkonzept». Bei über 3000 eingebundenen Filialen und 34 Regionalgesellschaften nehme der Prozess zwangsläufig Zeit in Anspruch. Die genannten Unterlagen wurden Lidl zufolge durch einen Mitarbeiter «unsachgemäß entsorgt und dem 'Spiegel' zugeleitet».

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte das Verhalten Lidls. «Der Grund der Krankheit geht den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an», sagte Schaar dem «Spiegel». Er regte an, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden den Fall prüfen sollten. «Dass man dabei zu dem Ergebnis kommt, das ist unzulässig, halte ich für ziemlich wahrscheinlich», betonte er.

Roth attestierte dem Unternehmen «ein erschreckendes Ausmaß an Ignoranz von Recht und Gesetz». «Lidl glaubt offenbar, dass wirtschaftliches Handeln in rechtsfreien Räumen stattfindet», sagte die Grünen-Politikerin in Berlin. «Ein Arbeitgeber darf seine Angestellten aber nicht wie Nichtmenschen behandeln und sie in dieser Weise bespitzeln und überwachen.» Das Unternehmen habe seit dem Bespitzelungsskandal im vergangenen Jahr nichts dazugelernt.

Vor rund einem Jahr war Lidl bereits wegen massiver Verstöße gegen den Datenschutz in die Schlagzeilen geraten. Damals war bekanntgeworden, dass der Discounter seine Mitarbeiter durch versteckte Kameras überwachen ließ. Offiziell sollten diese dem Schutz vor Ladendieben dienen. Lidl musste wegen der Bespitzelung schließlich knapp 1,5 Millionen Euro Bußgeld zahlen.