Kein Grund zum Schulterklopfen für die EU bei Entwicklungshilfe

Zahlen aus Paris und Beschlüsse aus Brüssel

Am Montag hat die EU-Kommission erste Beschlüsse zur Auszahlung von rund einem Drittel jener Euro-Milliarde getroffen, die Entwicklungsländer bei der Bewältigung hoher Nahrungsmittelpreise helfen soll. Gleichzeitig wurde in Paris bekannt, dass die EU-Staaten unter den OECD-Mitgliedern ihre Entwicklungshilfe im vergangenen Jahr kräftig angehoben haben, im Schnitt um 6,8 Prozent. Grund zum Schulterklopfen für die Europäer sind aber beide Nachrichten nicht.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Denn bei der Soforthilfe für die Entwicklungsländer angesichts der Nahrungsmittelpreis-Explosion sollte eigentlich alles ganz schnell gehen. Gedauert hat es dann aber doch acht Monate, bis die EU den Fonds auf die Beine stellte. 23 Länder werden zunächst von der EU-Hilfe für die Landwirtschaft profitieren. Innerhalb von drei Jahren sollen insgesamt 50 Länder einen Teil der Hilfe erhalten: Die EU-Kommission billigte einen Gesamtplan, der den Entwicklungsländern einen Überblick gibt, mit was sie rechnen können. Die größten Empfänger sind danach Äthiopien, die Demokratische Republik Kongo und die Palästinensischen Autonomiegebiete mit je rund 40 Millionen Euro oder mehr. Auch Tansania, die Philippinen und Kenia erhalten je rund 30 Millionen Euro.

Die Debatte über die Entwicklungshilfe-Milliarde dauerte Monate. Sie wirkt im Rückblick umso bizarrer, als die EU-Staaten wenige Monate nach ihrem Zögern bei der Entwicklungshilfe sehr freigiebig waren, als es darum ging, die eigene Wirtschaft zu unterstützen. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hatte den Fonds Anfang Juli 2008 vorgeschlagen. Das Ziel: so schnell und rechtzeitig zu handeln, dass Projekte noch für die Pflanz- und Saatsaison in diesem Frühjahr finanziert werden könnten.

Nahrungsmittelvorräte vielerorts auf dramatisch niedrigem Stand
Beifall erhielt die Kommission dafür von Organisationen wie dem UN-Welternährungsprogramm WFP und der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO. Denn: Die Nahrungsmittelvorräte seien vielerorts auf einen dramatisch niedrigen Stand gesunken, so WFP-Generaldirektorin Josette Sheeran. Doch einigen EU-Staaten, darunter Deutschland, schmeckte nicht, dass die EU-Kommission nicht verbrauchte Agrarsubventionen für den Fonds nutzen wollte. Jetzt kommt das Geld aus dem Etat für Außenhilfe. Buchungstechnisch sauberer, aber mit dem Nachteil, dass rund ein Viertel der Gelder ursprünglich für andere Projekte in diesem Bereich vorgesehen war, also kein zusätzliches Geld für Entwicklungshilfe darstellt.

Mit ersten Hungeraufständen hatten es die Entwicklungsländer vor einem Jahr noch in europäische TV-Nachrichten geschafft. Später überlagerte die Finanzkrise den Blick darauf, wie es im Süden zugeht. Deshalb kann die EU-Hilfe womöglich nützlich sein, auch wenn sie für die Ernten in diesem Jahr zu spät kommen mag. EU-Entwicklungskommissar Louis Michel erklärte am Montag, die Auswirkungen der Krise könnten womöglich sogar "viel schlimmer werden als erwartet".

Zuwachsraten bis zu knapp 27 Prozent
Da passt dann auch, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris an Montag verkündete, alle 27 EU-Staaten außer Österreich hätten 2008 die Entwicklungshilfe gesteigert. Die Zuwachsraten betrugen bis zu knapp 27 Prozent in Griechenland - freilich ausgehend von niedrigem Niveau. Aber auch Großbritannien mit plus 24 Prozent oder Portugal und Spanien mit 21 und 19 Prozent hoben ihre Hilfe kräftig an. Der Zuwachs lag im EU-Durchschnitt bei 6,8 Prozent, für Deutschland bei
5,7 Prozent.

Die OECD verband das Lob aber gleich mit einer Mahnung. Insgesamt müsse die EU ihre Hilfe noch um 27 Prozent anheben, wolle sie die vereinbarten Ziele erreichen. Auch Deutschland müsste 2010 exakt 27 Prozent mehr Entwicklungshilfe leisten als im vergangenen Jahr. Streit zwischen Entwicklungs- und Finanzministerium scheint damit vorprogrammiert, unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl.

Noch drastischer fällt das OECD-Verdikt für Portugal oder Italien aus. Portugal muss die Hilfe bis 2010 um 82 Prozent steigern, will es seine Zusagen einhalten. Und Italien braucht gar einen Zuwachs um 145 Prozent - eine fast unlösbare Aufgabe.