Experten streiten sich über die Auswirkungen des Heilfastens

Fragwürdiges Fasten

Fasten hat viele Gesichter. Zumeist verzichten Fastende auf Nahrung und Genussmittel oder all das, was sonst im Überfluss vorhanden ist. Sie versprechen sich so einen geschärften Blick auf das Wesentliche. Eine radikale Variante ist das Heilfasten. Doch Experten beurteilen den langen Verzicht auf feste Nahrung sehr unterschiedlich.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Fasten - jenseits von Diät oder Schlankhungern - ist ursprünglich religiös begründet. An Aschermittwoch beginnt die Zeit der Buße und Umkehr, die auf Ostern vorbereiten soll. Dass die Fastenzeit in Deutschland wieder zu einem wichtigen Thema geworden ist, zeigt die wachsende Vielfalt an einschlägigen Initiativen christlicher Verbände und Organisationen.

Doch in einer tendenziell übergewichtigen Gesellschaft geht es oft nur um das Eine: Kilos loszuwerden. Mit aller Energie. "Heilfasten kann tödlich sein", warnt Sven-David Müller. Der Diätassistent hat das Buch "Gesundheitsrisiko Heilfasten" geschrieben, das in diesen Tagen in den Handel kommt. Er spricht von Vergiftung statt Entgiftung. Fastenformen, die unter 500 Kalorien Energie am Tag lieferten wie die Nulldiät oder reines Trinkfasten, könnten Risikogruppen massiv schädigen. "Es ist wie der Sprung aus dem Flugzeug mit einem nicht geprüften Fallschirm. Es kann gutgehen oder auch tödlich enden." Seine Diagnose: Der Körper werde übersäuert, dem Fasten folgten Fressattacken und neue Fettpolster. "Fasten bringt nichts."

Dagegen meint der Heilpraktiker Rene Gräber: "Viel zu viele Menschen äußern sich zu dem Thema, obwohl sie sich offensichtlich nicht annähernd damit beschäftigt haben." Nach seinen Angaben belegten in den vergangenen sechs Jahrzehnten 200 physiologische Studien die Wirksamkeit des Heilfastens. "Beim Fasten geht es um physiologische Tatsachen, die absolut hinreichend untersucht sind", kontert er Müllers Kritik. Allein 6.500 Menschen begleitete Gräber nach eigenen Angaben beim Heilfasten. Er räumt aber ein, dass sich die Menschen vor einem solchen Schritt umfassend informieren müssten. Zum Abnehmen sei Heilfasten nicht in erster Linie geeignet.

"Die Menschen hören zu wenig auf sich selbst"
Aber viele, vor allem chronische Krankheiten könnten gelindert werden, so der Experte. Das gelte vor allem für Krankheiten, die den ganzen Organismus beträfen und ganzheitlich behandelt werden müssten. "Die Menschen hören zu wenig auf sich selbst", mahnt Gräber. Entschlacken sei ein wichtiger Aspekt des Heilfastens. Der Körper stelle auf innere Ernährung um und verabschiede sich von "Schlacke", Abfallresten im Zellgewebe.

Diätassistent Müller setzt dagegen auf Schlemmen statt Fasten. Sein
Programm: Ballaststoffe oder bestimmte Lebensmittel wie Harzer Käse wirkten wie "Stoffwechsel-Turbos" und erleichterten das Abnehmen.
Das passt zu einem seiner früheren Werke: Das "Kalorienkiller-Kochbuch" verspricht 140 Rezepte zum Abnehmen und Schlankbleiben. Ein Beispiel: Beim Genuss süßer Bandnudeln mit Birnen-Pflaumen-Kompott führten Ballaststoffe, Vanille, Proteine und Kalzium zum gewünschten Effekt. "Da ist Müller in seinem Element.

Das kann er richtig gut", meint Gräber dazu. In Zukunft solle der Diätberater aber doch darauf verzichten, der Gesundheitsindustrie rund um das Fasten "mafiöse Strukturen" zu unterstellen. Von einer "Fastenmafia" spricht Müller bewusst nicht, von "mafiösen Strukturen" schon.

Als Maßnahme für die Gewichtsreduktion wird das Heilfasten nicht eingeordnet, heißt es in einer Erklärung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Und eine Heilfastenkur könne auch nicht eine medizinisch notwendige Therapie ersetzen. Heilfasten kann aber auch nach DGE-Bewertung ein Impuls für eine Änderung des Lebensstils sein. Vielleicht kommt man dann doch wieder auf den eigentlichen Sinn des Fastens: durch den Verzicht ins Nachdenken über die eigenen Gewohnheiten zu kommen.