KNA: Herr Professor Schulz, wie sieht die neue Studienordnung nach Bologna aus?
Schulz: Wir haben das bisherige Diplomstudium modularisiert. Es wurde nach Vorgaben des Bologna-Prozesses, des Landes und der Bischöfe in Themengruppen, Module genannt, zusammengefasst. Der erste Teil bis zum Bachelor führt in die Theologie und ihre Fächer ein. Weitere Module werden nach den Themen des Glaubensbekenntnisses gestaltet, etwa Gott, Mensch und Schöpfung, Jesus, Kirche. Die einzelnen Fächer bieten dazu ihren Beitrag. Das Modul zur Gotteslehre bestreiten etwa Philosophie, Fundamentaltheologie, Altes und Neues Testament, Dogmatik. Im zweiten Studienteil bis zum Master werden Themen vertieft und Kurse zur Berufspraxis angeboten. Vorgesehen ist, dass alle Studierenden mit dem Master abschließen, da der Bachelor keine wirklichen Berufungsaussichten bietet.
KNA: Welche Bilanz ziehen sie nach dem ersten Jahr?
Schulz: Die Bilanz ist gemischt. Ein Vorteil ist, dass Studierende durch die Module einen guten Überblick über die gesamte Theologie bekommen. Ein Nachteil ist die starke Verschulung. Das empfinden viele als belastend. Sie müssen ihre Anwesenheit nicht nur in Seminaren, sondern auch in Vorlesungen dokumentieren, weil dafür Leistungspunkte berechnet werden. Wer nun wegen der Studiengebühren Geld verdienen muss, bekommt Zeitprobleme. Auch Professoren haben Schwierigkeiten, für den Vormittag studentische Hilfskräfte zu finden. Viele sehen die Anwesenheitspflicht als Eingriff in die studentische Freiheit. Früher konnte man zudem Vorlesungen anderer Fächer hören. Das ist sehr erschwert worden.
KNA: Widerspricht Bologna dem Geist der Theologie?
Schulz: Dazu kann es kommen, wenn nicht mehr Elemente aus dem alten Diplomstudium in das neue System integriert werden. So müssten Seminare möglich sein, die nicht ganz durch den Lehrplan bestimmt sind und Forschungsprojekte oder aktuelle Fragen aufgreifen - etwa nach der Papst-Wahl 2005 über Joseph Ratzingers Theologie. Es ist schlecht, wenn alles in ein Korsett passen muss. Allerdings wurden früher manchmal nicht genug Grundkenntnisse vermittelt. Es konnte passieren, dass eine Vorlesung Eucharistie hieß, der Professor aber nur über ein ökumenisches Papier dazu sprach.
KNA: Wie haben die Studenten auf Bologna reagiert?
Schulz: Die Anwesenheitspflicht wurde, wie gesagt, als große Gängelei empfunden. Es galt auch Kinderkrankheiten in der Organisation zu meistern. Bei der zweiten Runde gab es weniger Kritik. Wenn einer sein ganzes Studium in Bonn absolviert, wird er kaum Probleme haben. Spannend wird es, wenn einer den Ort wechseln will. Bologna will diese Flexibilität erreichen. Die Module sollen helfen, dass Themen und Leistungen leichter zu vergleichen sind und an allen Unis anerkannt werden. Das war die große Idee. Doch Bologna wirkt bislang kontraproduktiv. Jede Uni gestaltet die Module anders.
KNA: Sollte der Katholisch-Theologische Fakultätentag eingreifen?
Schulz: Er hat über einen Lehrplan diskutiert. Die Idee ließ sich aber nicht durchsetzen. Man müsste dennoch in den zentralen Themen mehr Vereinheitlichung erreichen. Gleichzeitig müsste man Spielräume für Schwerpunkte einzelner Fakultäten schaffen, damit sich Profile entwickeln können.
KNA: Werden Sie in Bonn noch etwas ändern?
Schulz: Wir hoffen, dass es ab 2011 wieder ein Lehramtsstudium in Bonn gibt. Hochschule und Land sind sich darin einig. Nicht einfach wird es, Fachdidaktiken aufzubauen. Aber das ist unvermeidlich. Es fragt sich, wo die Stellen herkommen. Müssen andere geopfert werden?
Hier liegt das Problem. Unsere Fakultät verfügt zum Glück über einen Lehrstuhl für Religionspädagogik. Wir sind gut aufgestellt.
Vorgesehen ist auch ein Praxissemester. Deshalb und um der Kombinierbarkeit der Fächer willen müssen wir womöglich unsere zweisemestrigen Module in einsemestrige umstrukturieren.
KNA: Der Mainzer Neutestamentler Marius Reiser hat aus Kritik am Bologna-Prozess seine Professur niedergelegt. Was sagen Sie dazu?
Schulz: Das ist eine mutige, aber doch überzogene Entscheidung. Ich bin überzeugt, man wird mit Bologna experimentieren. Elemente der alten Studienordnung werden in die neue integriert werden. Reiser kritisiert zu Recht die fehlenden Spielräume.
Theologe bilanziert ein Jahr mit erster neuer Studienordnung
"Bologna wirkt bislang kontraproduktiv"
An den 20 deutschen Fakultäten und Hochschulen für katholische Theologie herrschen Debatten über den Bologna-Prozess. Die europäische Hochschulreform sei ein Angriff auf die Freiheit der Lehre, kritisierte der Mainzer Neutestamentler Marius Reiser und legte aus Kritik gar seine Professur nieder. Welche Bilanz die Bonner Katholisch-Theologische Fakultät aus ihrer Bologna-Studienordnung zieht, die sie vor einem Jahr als bundesweit erste einführte, schildert Dekan und Dogmatikprofessor Michael Schulz im KNA-Interview.
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