Der Schriftsteller und engagierte Christ Josef Reding wird 80 Jahre alt

"Mittendrin, in der Zeit"

Verfasser von biographischen Artikeln stehen in der Regel vor einem großen Problem: Sie müssen ein ganzes Leben auf einer Seite zusammenfassen. Zugleich hat der Zwang zur Kürze auch Vorteile. Er schafft Prägnanz, bringt die Dinge auf den Punkt. Niemand weiß dies besser als Josef Reding, der wie nur wenige andere deutsche Autoren den kurzen Texten sein Leben lang die Treue gehalten hat. Heute wird der deutsche Erzähler, Journalist und engagierte Christ 80 Jahre alt.

Autor/in:
Guido Bee
 (DR)

Es waren die amerikanischen Besatzer, die dem jugendlichen Kriegsgefangenen Josef Reding 1945 neben Brot auch den Zugang zu amerikanischer Literatur verschafften. In ihren Zeitschriften und Taschenbüchern las Reding Stories von O'Henry, Saroyan und Hemingway, die ihn begeisterten. Das Faszinierende amerikanischer Kurzgeschichten resultierte für ihn - wie bei vielen Schriftstellern seiner Generation - aus der sprachlichen Präzision dieser Texte; für Reding stellten sie einen Gegenentwurf zum Wortbombast der Nazi-Kultur dar.

Redings Interesse an dieser Form von Literatur war geweckt, aber an den Beginn einer eigenen literarischen Karriere war vorerst nicht zu denken. Als sein Vater 1950 starb, fühlte sich Reding für seine Mutter und seine drei jüngeren Geschwister verantwortlich. Am Tag seiner Abiturfeier trat er eine Umschulung zum Betonwerker an - eine Tätigkeit, die er zwei Jahre lang ausüben sollte. Auch wenn er anschließend studierte, waren Redings Erfahrungen "im Beton" prägend genug, um sich selbst als Arbeiterschriftsteller zu verstehen. Sein späteres Engagement im wirkungsmächtigsten Zusammenschluss von Arbeiterliteraten der Bundesrepublik, der "Gruppe 61", und seine 25-jährige Mitarbeit bei der Zeitung "Welt der Arbeit" haben hier ihre Wurzeln.

Prägender Studienaufenthalt in den USA
Als prägend erwies sich aber auch ein Studienaufenthalt in den USA von 1953 bis 1954, der ihm durch ein Stipendium der Fulbright-Stiftung ermöglicht wurde. Reding lernte die Slums kennen, lebte in einer Wohngemeinschaft mit Farbigen und sah sich mit der Rassenproblematik konfrontiert. All dies lieferte ihm Inspirationen für eine drei Jahre später veröffentlichte Sammlung von Erzählungen mit dem programmatischen Titel "Nennt mich nicht Nigger!", die seinen literarischen Durchbruch bedeutete.

In den Folgejahren unternahm Reding zahlreiche Filmexpeditionen in Entwicklungsländer. Seine Erfahrungen in Hunger- und Aussätzigenregionen in Asien, Afrika und Lateinamerika waren nicht nur Gegenstand von zwanzig Fernsehdokumentationen, sondern flossen immer wieder auch in seine Erzählbände ein. Daneben schrieb Reding Hörspiele, Gedichte und zahlreiche Jugendbücher.

Schriftsteller mit Bodenhaftung
Reding war stets ein Schriftsteller mit Bodenhaftung, der wie nur wenige andere ein links profiliertes soziales Engagement mit einer Tätigkeit in der katholischen Kirche verband. Er war Gewerkschaftler, Aktivist der Friedensbewegung und von 1971 bis 1975 auch Mitglied der Gemeinsamen Synode der Diözesen in der Bundesrepublik Deutschland. Zeit seines Lebens blieb er dem Ruhrgebiet im Allgemeinen und der Stadt Dortmund im Besonderen verbunden und kann somit als ein Heimatautor der besonderen Art gelten.

Obwohl seine Texte immer wieder neu aufgelegt werden und Eingang in zahlreiche Schullesebücher fanden, sah sich Reding nie seinem literarischen Nachleben, sondern nur der ihn umgebenden Gegenwart verpflichtet. Er verstand sich immer als Erzähler, nicht als Dichter: "Mit Dichter", erzählt ein Schriftstellervater seinem Sohn in einer seiner Erzählungen, "meint man einen, der über der Zeit steht, ganz hoch und hehr. Und ich bin mittendrin, in der Zeit. Ich kabbel' mich rum, mit der Zeit."