Gedenkminute für Opfer des Amoklaufs in Baden-Württemberg

"Wer eine Schule angreift, greift uns alle an"

Eine Woche nach dem Amoklauf von Winnenden haben am Mittwoch der Bundestag und der Landtag von Baden-Württemberg der Opfer gedacht. In Berlin erhoben sich die Parlamentarier vor einer Aktuellen Stunde zu einer Schweigeminute. Anschließend warnten Abgeordnete von Koalition und Opposition vor überstürzten Konsequenzen aus der Tat und forderten mehr gesellschaftliche Verantwortung und Aufmerksamkeit für Jugendliche.

 (DR)

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, um die Warnsignale vor einem Amoklauf zu erkennen, müsse die Lebenswelt der Jugendlichen besser verstanden werden. «Jede Tat hat ihre Vorboten.» Zu dieser Lebenswelt zähle unter anderem das Internet. Die Ministerin sprach sich für einen Online-Notruf - «eine Art '110' im Internet» - aus, wo sich ankündigende Gewalttaten gemeldet werden könnten.

Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, erklärte: «Einfache Antworten und schnelle Lösungen sind nicht das Gebot der Stunde.» Sie mahnte zugleich, Jugendliche müssten mehr Anerkennung erhalten. «Wir haben eine öffentliche Verantwortung für das Aufwachsen von Kindern.» Ebenso wie der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring warb Marks für eine «Kultur des Hinsehens», um gefährdeten Jungendlichen rechzeitig helfen zu können.

Der Winnendener FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff (FDP) würdigte den Mut von Polizeibeamten und Lehrern, die angesichts der Tat sofort gehandelt und Schüler geschützt hätten. «Für mich sind die Lehrerinnen und Lehrer Helden.» Für Schlussfolgerungen nach der Tat sei es indes noch zu früh. Im Mittelpunkt müssten jetzt die Opfer stehen.

Die Abgeordnete der Linksfraktion, Petra Pal, sprach sich für eine Verschärfung des Waffenrechts aus. Der private Besitz von Schutzwaffen müsse eingeschränkt und wirksam kontrolliert werden. Auf die Debatte um die die umstrittenen PC-Killerspiele ging der familienpolitische Sprecher der Union, Johannes Singhammer (CSU), ein. Er plädiere dafür, die Altersgrenzen für die Spiele anzuheben.

Die medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Monika Griefahn, kritisierte die Medien für eine sensationalistische Berichterstattung nach dem Amoklauf. Angehörige und Überlebende des Amoklaufs seien rücksichtslos mit Interviewanfragen bedrängt worden.

In Baden-Württemberg beteiligten sich neben dem Landtag auch Schulen und Behörden an einer Schweigeminute, Rundfunksender setzten ihr Programm aus, Busse und Bahnen hielten an.

Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte im Stuttgarter Landtag, einen hundertprozentigen Schutz vor Amokläufen könne es nicht geben. Es gebe aber eine Kultur der Aufmerksamkeit und der Achtsamkeit, die solchen Tragödien entgegenwirken könne. «Wer eine Schule angreift, greift uns alle an», sagte der Regierungschef. Bei dem Amoklauf hatte ein 17-Jähriger die Albertville-Realschule in der Kleinstadt Winnenden bei Stuttgart gestürmt und dort neun Schüler und drei Lehrerinnen erschossen. Bei der anschließenden Flucht tötete er drei weitere Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm.

Die zentrale Trauerfeier in Winnenden beginnt am Samstag um 11 Uhr. Dazu werden bis zu 30.000 Menschen erwartet. Unter anderen nehmen Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) teil. Auch der evangelische württembergische Landesbischof Frank Otfried Judy und sein katholischer Kollege Gebhard Fürst werden erwartet.