Brasilien: Vatikan kritisiert öffentliche Exkommunikation nach Abtreibung

Solidarität wichtiger als Strafe

Der Vatikan hat den brasilianischen Erzbischof Jose Cardoso Sobrinho für die öffentliche Feststellung von Exkommunikationen nach einem Abtreibungsfall gerügt. Im Fall der Neunjährigen, die durch eine Vergewaltigung schwanger geworden war, wäre ein Ausdruck der Solidarität mit dem Opfer wichtiger gewesen, urteilte der päpstliche Chef-Ethiker Rino Fisichella in der Vatikan-Zeitung "Osservatore Romano".

 (DR)

Ohne die prinzipielle Ablehnung von Abtreibungen aufzuweichen, hätte man «über die juristische Sphäre hinausblicken» müssen, um dem eigentlichen Sinn des Kirchenrechts zu entsprechen, schrieb Erzbischof Fisichella.

Laut Fisichella hat der Erzbischof von Recife und Olinda mit seinem harten Vorgehen der Glaubwürdigkeit der katholischen Lehre geschadet. Bei der Abtreibung unter solchen Umständen könne man nicht einfach ein «Urteil von der Wucht eines Henkerbeils» fällen, so der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben. Für die wiederholte Vergewaltigung eines Kindes gebe es keine angemessenen Worte der Verurteilung. Dadurch, dass Sobrinho die an der Abtreibung beteiligten Ärzte und die Mutter der Neunjährigen für exkommuniziert erklärt habe, erscheine die Kirche jetzt «in den Augen vieler als unsensibel, unverständlich und unbarmherzig».

Auch der Gewissenskonflikt der Ärzte müsse mitberücksichtigt werden, betonte Fisichella. Moraltheologisch zähle dieser Fall «zu den heikelsten». Ein schnelles Urteil werde dabei weder dem Vergewaltigungsopfer noch den übrigen Beteiligten gerecht. Der Theologe verwies darauf, dass nach dem Kirchenrecht die Exkommunikation für die Mitwirkung an einer vollzogenen Abtreibung ohnehin automatisch eintrete; daher habe es keinerlei Dringlichkeit gegeben, die Strafe öffentlich festzustellen. Es gebe andere, die eine Exkommunikation verdienten und Vergebung nötig hätten, schrieb Fisichella.

Der 23-jährige Stiefvater hatte die Neunjährige wiederholt vergewaltigt und auch zugegeben, deren geistig behinderte 14-jährige Schwester missbraucht zu haben. Nach Aussagen der behandelnden Ärzte hätte eine Fortsetzung der Schwangerschaft das nur 1,33 Meter große und 36 Kilo schwere Mädchen in Lebensgefahr gebracht.