Nach dem Amoklauf kehren viele Winnender zu ihrem Alltag zurück - Anfeindungen gegen Medien

Eine Stadt will zur Ruhe kommen

Drei Tage nach dem schrecklichen Amoklauf von Winnenden mit insgesamt 16 Toten wollen die Einwohner der Kleinstadt zur Ruhe kommen. Ein Stück Alltag ist am Samstag bereits wieder in die 28 000 Einwohner zählende Stadt zurückgekehrt. Schüler der Albertville-Realschule holen die Sachen, die sie wegen des Amoklaufs zurücklassen mussten, von dem benachbarten Gymnasium ab. Und auch in den schmalen Gassen der Innenstadt findet wie jede Woche ein Markt statt, Menschen strömen in die Geschäfte, trinken ihren Kaffee in den zahlreichen Straßencafes.

 (DR)

Auf den ersten Blick scheint es ein ganz normaler Samstag in Winnenden zu sein - doch sind auch am Wochenende noch der Amoklauf und die Trauer um die Opfer weiter präsent. «Es ist alles so schrecklich. Aber jetzt muss es irgendwie auch weiter gehen», sagt eine Passantin.

Inzwischen sind die Medienvertreter, die seit Mittwoch die Stadt regelrecht belagern, vielen Bürgern geradezu lästig. «Lasst uns doch einfach in Ruhe», schreit eine Frau, als ein Kamerateam sie auf der Straße anspricht. Immer wieder kommt es zu Anfeindungen und Beleidigungen gegen Journalisten, viele Menschen suchen ein Ventil für ihre Trauer.

Am Freitag soll ein Fotograf von Trauernden an der Schule bespuckt worden sein. «Es gab eben einfach auch viele schwarze Schafe, die einfach draufgehalten haben», sagt ein ZDF-Reporter. Da seien die Aggressionen einiger Bewohner nicht verwunderlich. Er selbst habe erlebt, dass Jugendliche auf ihn zukamen und fragten, für wen er berichte. Wäre er von einer Boulevardzeitung gewesen, hätten sie ihn wohl zusammengeschlagen, zeigt sich der Redakteur überzeugt.

Ein anderer Fernsehredakteur sieht die Lage unterdessen als «relativ ruhig». Im Vergleich zu dem, was die Menschen ertragen müssten, seien die Anfeindungen gegen Medienvertreter harmlos, sagt er. Journalisten müssten einfach in solchen Situationen auch mit den entsprechenden Reaktionen rechnen. «Wer hierher kommt, und nicht mit Kritik leben kann, hat seinen Job verfehlt», ist er sich sicher.

Das ZDF hat inzwischen auf das Bedürfnis der Winnender nach Ruhe reagiert. «Wir haben in den letzten Tagen versucht, uns bewusst zurückzuhalten», sagt der stellvertretende Chefredakteur des Mainzer Senders, Elmar Theveßen, am Samstag. Es seien Regeln an die Mitarbeiter des ZDF, die aus Winnenden berichten, herausgegeben worden, in denen sie etwa angehalten werden, nicht einfach mit einer Kamera auf die Trauernden loszugehen. «Das hat uns natürlich auch weniger emotional gemacht, aber es ist besser so», fügt Theveßen hinzu. Auch seinem Sender seien wie anderen mehrfach Bilder und Videos zum Kauf angeboten worden. «Wir haben das aber abgelehnt.»

Für die erste Beerdigung eines der Opfer des Amoklaufs am Samstag, der 16-jährigen Nicole N., hat die Stadt ein Foto- und Filmverbot auf dem Gelände des Stadtfriedhofes ausgesprochen. Entsprechende Zettel mit einer Verfügung werden an die Journalisten verteilt. Darin heißt es, dass ohne das Verbot eine «ungestörte Trauerfeier und Bestattung nicht zu gewährleisten» sei. Polizisten schirmen deshalb am Samstag den Bereich um den Stadtfriedhof weiträumig ab. Auch an dem Schulgelände ist inzwischen der Bereich, an dem auch am Samstag noch zahlreiche Blumen und Kerzen von Trauernden niedergelegt wurden, für die Medien abgesperrt.

Der Leiter des Krisenstabs der Stadt Winnenden und stellvertretender Bürgermeister, Richard Fischer, verteidigt das Verbot am Samstag als völlig selbstverständlich. «Wir sind sehr aufgeschlossen gegenüber der Pressearbeit.» Bei der Beerdigung gehe aber die Privatsphäre der Trauernden vor. «Wir hatten einfach die Bilder im Kopf, dass Angehörige am Grab gefilmt werden«, sagt Fischer. »Das wollten wir verhindern."