Wie CDU und SPD die Aufsichtsgremien des ZDF beherrschen

Im Griff der Politik

Der aktuelle Streit über ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender macht deutlich, wie stark die Möglichkeit politischer Einflussnahme bereits in der Grundstruktur des Senders verankert ist. Beide Kontrollorgane des ZDF, Fernsehrat und Verwaltungsrat, liefern in ihrer Zusammensetzung ein ziemlich exaktes Abbild der Machtverhältnisse in den Bundesländern, und dort dominiert zurzeit die Union.

Autor/in:
Michael Ridder
 (DR)

Im ZDF-Staatsvertrag haben die Länder festgelegt, welche Funktionen die Aufsichtsgremien haben und wer einen Sitz darin beanspruchen kann.

Der Fernsehrat, der in dieser Woche zusammentritt, hat die Aufgabe, für die Sendungen des ZDF Richtlinien aufzustellen und das Programm zu überwachen. Außerdem obliegt dem Gremium die Wahl des Intendanten, die mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit erfolgen muss. Derzeit besteht der Fernsehrat aus 77 Mitgliedern, die - so jedenfalls der Grundgedanke - unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen vertreten.

Tatsächlich werden aber 72 der 77 Fernsehratsmitglieder von der Politik bestimmt. Zwar können Verbände und Organisationen - wie der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger oder der Deutsche Olympische Sportbund - ihre Vertreter selbst vorschlagen. Berufen werden sie allerdings durch die Ministerpräsidenten, die sie auch wieder abberufen können. So relativiert sich die Vorschrift des Staatsvertrags, wonach Fernsehratsmitglieder «an Weisungen nicht gebunden» sind. Lediglich die evangelische und die katholische Kirche sowie der Zentralrat der Juden können ihre Vertreter selbst bestimmen.

Ähnlich sieht es im Verwaltungsrat aus. In dem 14-köpfigen Gremium, das die Tätigkeiten des Intendanten überwachen und über Spitzenpersonalien wie im Fall Brender mitentscheiden soll, sitzen mit Roland Koch, Edmund Stoiber und Peter Müller drei amtierende oder ehemalige Unions-Ministerpräsidenten, als Vertreter des Bundes ist zudem Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) an Bord. Die SPD stellt mit den Länderchefs Kurt Beck und Matthias Platzeck zwei Mitglieder.

Die übrigen acht Mitglieder des Verwaltungsrats dürfen laut Staatsvertrag nicht in einer Regierung oder gesetzgebenden Körperschaft sitzen. Da sie aber vom Fernsehrat gewählt werden, können auch sie in der Regel einem der politischen Lager zugeordnet werden. Diese Lager heißen beim ZDF traditionell «Freundeskreise». Im Fernsehrat versammelt der «Freundeskreis Bergmann» - benannt nach der ehemaligen Bundesministerin Christine Bergmann - Mitglieder, die der SPD angehören oder ihr nahestehen. Der «Freundeskreis Jung», benannt nach Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), ist der unionsnahe Kreis.

Viele Gremienentscheidungen im ZDF werden vorher in den Freundeskreisen abgestimmt. Das hat dem Sender immer wieder die Kritik eingetragen, zu nah am Staat zu sein. So stuften viele Medienbeobachter die Prozedur bei der Intendantenwahl im Jahr 2002 als peinlich ein. Über Monate blockierten sich die beiden Freundeskreise im Fernsehrat, so dass weder die «roten» noch die «schwarzen» Kandidaten die erforderliche Mehrheit bekamen. In vier Wahlgängen scheiterten neben anderen der jetzige HR-Intendant Helmut Reitze, den die Unionsseite favorisierte, und der damalige Programmdirekter der ARD, Günter Struve, den der SPD-Kreis ins Spiel brachte.

Den heutigen ZDF-Intendanten Markus Schächter hatte kaum jemand auf der Rechung. Er war im fünften Wahlgang mit 51 Ja-Stimmen der Kompromisskandidat, der - wiewohl unionsnah - für beide Freundeskreise tragfähig war. 2005 wurde Schächter mit 60 Stimmen für eine Amtszeit bis 2012 wiedergewählt.

Jetzt, wo über die Vertragsverlängerung des Chefredakteurs entschieden werden muss, hat der Intendant das Vorschlagsrecht.
Schächter hat sich zu Brender bekannt. Doch die unionsnahe Mehrheit im Verwaltungsrat - angeführt vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch - lehnt Brender ab. Zwar schwanken einige der offiziell nicht politisch festgelegten Ratsmitglieder, ob sie am 27. März Koch folgen sollen, aber für eine Drei-Fünftel-Mehrheit zugunsten von Brender bräuchte Schächter vier Stimmen aus dem Unionslager. Nach Auskunft des ZDF wäre es dass erste Mal, dass eine vom Intendanten vorgeschlagene Personalie dieser Größenordnung durchfällt.

Kritik an dem Streit über Brender, der kein Parteibuch besitzt, wurde jetzt auch aus dem - nicht zuständigen - Fernsehrat laut: «Die Debatte hat allen Beteiligten und dem Sender nur geschadet», sagte der Vorsitzende des Gremiums, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz. Der Präsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hermann Barth, nannte es eine «starke Zumutung», wenn politische Parteien versuchten, das ZDF zu ihrer «Beute» zu machen.
Barth will in der Fernsehratssitzung an diesem Donnerstag und Freitag eine «Vertrauensbekundung» für Brender erreichen.