Benedikt XVI. erinnert auf dem Kapitol an Roms antikes Erbe

Der Papst bei den Caesaren

Noch nie war Papst Benedikt XVI. dem antiken Genius so nahe: Am Montag besuchte das Kirchenoberhaupt das römische Kapitol. Einst ein Symbolort kaiserlicher Macht und seiner alten Götter, ist der Hügel am Forum Romanum heute Sitz der demokratischen, säkularen Stadtregierung.

 (DR)

Dort beschwor der Papst den Geist der "lateinischen und christlichen Zivilisation". Rom müsse sich auf seine "tiefste Seele" und auf seine doppelten Wurzeln in Kultur und Religion besinnen, um in der Postmoderne Vorreiterin eines neuen Humanismus zu werden.

Gelb-rot beflaggt präsentiert sich der Kapitolshügel, als der Papst vorfährt. Bürgermeister Gianni Alemanno und seine Gattin begrüßen den hohen Gast. Festgeläut erschallt, ein mittelalterlicher Spielmannszug schmettert Fanfaren. Auf dem Platz scharen sich rund um den bronzenen Kaiser Marc Aurel zu Ross ein paar hundert Römer; Luftballons und Spruchbänder weisen sie als Mitglieder des katholischen Arbeiterbundes und geistlicher Gemeinschaften aus. Auch eine Delegation von Roma aus den Barackensiedlungen der Vorstadt ist zugegen. Demonstranten sind dagegen keine gekommen. Die kommunistische Jugend Italiens hatte noch im Vorfeld gegen die "vatikanische Einmischung" in die Politik protestiert.

Eigentlich ein Heimspiel
Eigentlich sollte es ein Heimspiel sein: Benedikt XVI. kommt nicht in erster Linie als Oberhaupt der katholischen Weltkirche, sondern als Bischof von Rom. Oft schauten seine Vorgänger freilich nicht bei den Volksvertretern ihres Stadtbistums vorbei. Der aktuelle Besuch ist der vierte überhaupt seit der italienischen Staatsgründung - nach den Visiten von Pius IX. im Jahr 1870, Paul VI. 1966 und Johannes Paul II. 1998. Alemanno spricht von einem "historischen Tag".

Zum Auftakt lässt sich Benedikt XVI. vom rückwärtigen Balkon des Rathauses vom städtischen Archäologie-Verantwortlichen Umberto Broccoli das antike Forum erläutern, die stolzen Reste verblichener Macht. Dann, nach dem Eintrag ins Goldene Buch, folgen Reden im Julius-Caesar-Saal. Bürgermeister Alemanno lobt die Eintracht von Kirche und Staat. Das bürgerliche und das christliche Rom seien weder Gegensätze noch eine Alternative, sondern "vereint im Respekt der unterschiedlichen Zuständigkeiten". Es ist ein heikles Thema in Italien mit seinen selbstbewussten laizistischen Kräften.

Auch der Papst spricht eine delikate Frage an: die Immigration. Rom sei eine "multiethnische und multikulturelle Metropole" geworden.
Nur in Besinnung auf ihr Erbe von antikem Recht und christlichem Glauben werde die Stadt die Kraft finden, "den Respekt vor den Regeln des Zusammenlebens von allen einzufordern und jede Form von Intoleranz und Diskriminierung zurückzuweisen". Im Publikum sitzen auch Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni und hohe islamische Repräsentanten.

Als oberster Seelsorger der Stadt spricht Benedikt XVI. besorgt über wachsende Arbeitslosigkeit und Armut unter den Bürgern; er beklagt die Schwierigkeit, eine bezahlbare Wohnung zu finden, und erinnert an das Engagement kirchlicher karitativer Einrichtungen. Nach einigen Aufsehen erregenden Vergewaltigungsfällen ist das Thema öffentliche Sicherheit Gegenstand einer landesweiten Kontroverse.
Auch auf diese "Episoden der Gewalt" geht der Papst ein. Den Kern des Problems sieht er jedoch nicht in einem mehr oder weniger harten Durchgreifen, sondern in einer "spirituellen Armut", der wachsenden Gottvergessenheit in der Politik.

Gewissermaßen als Handbuch fürs Tagesgeschäft überreicht er jedem Stadtrat das Kompendium der katholischen Soziallehre. Alemanno bekommt sogar ein handsigniertes Exemplar. Draußen wendet sich Benedikt XVI. noch einmal an das Volk, das geduldig ausgeharrt hat.
Von der antiken Stätte herab spricht er den Römern klassischen Trost zu, mit einem Zitat aus den "Tristia" von Ovid: "Perfer et obdura:
multo graviora tulisti" - "Trage und dulde, viel Schwereres schon hast du ertragen".

Zu diesen ganz normalen Lasten gehört das tägliche Hickhack auf dem Kaiserhügel. Francesco Storace, Fraktionschef des rechten Flügels, hatte vorab moniert, dass die Stadträte für den Papstbesuch auch noch ein Tagegeld von gut 100 Euro kassierten. Ratspräsident Marco Pomarici gab zurück, es stehe schließlich jedem Mitglied frei, seinen sogenannten "gettone" für einen wohltätigen Zweck zu spenden.