Die Priesterbruderschaft St. Pius X. ist seit jeher ein Stolperstein

"Die Wahrheit ist eine eifersüchtige Köchin"

Der Umgang des Vatikan mit den Traditionalisten ist schon immer heikel. Um so mehr sind viele über die Versöhnungsgeste Benedikt XVI. überrascht. Rechtgläubig oder rechtslastig? Seit jeher klaffen Selbstverständnis und Außenwahrnehmung der Pius-Brüder auseinander.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Nicht wenige warnen, es sei ein Trojanisches Pferd, das da vor den Mauern des Vatikan stehe: Einmal eingelassen, werde es versuchen, die Festung von innen her zu nehmen. So scheinen es auch die vier Bischöfe der Traditionalisten-Bruderschaft Pius X. zu sehen, deren Exkommunikation Papst Benedikt XVI. Ende Januar aufhob: Nun werde man Rom bekehren, tönte etwa Bernard Tissier de Mallerais.

Der französische Erbe von Erzbischof Marcel Lefebvre könnte sich schon bald wieder mit der kirchlichen Hierarchie anlegen, wenn er in drei Wochen im Zaitzkofen im Bistum Regensburg gegen kirchenamtliches Verbot eine Subdiakonenweihe vornimmt.

Turbulente Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Entstanden in der innerkirchlich turbulenten Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), war die konservative Priesterbruderschaft zunächst kirchlich anerkannt. Als aber die Gründerfigur, der französische Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991), im Juni 1988 gegen das ausdrückliche Verbot des Papstes vier Priester zu Bischöfen weihte, vollzog er selbst die jüngste Spaltung der Kirchengeschichte.

Neben der Liturgiereform des Konzils lehnen die Traditionalisten vor allem die Religionsfreiheit sowie den ökumenischen und interreligiösen Dialog ab. Rom werfen sie vor, mit den Lehren des Konzils die kirchliche Tradition zerstört zu haben. Die Einführung der Muttersprache in die Liturgie und die stärkere Einbindung der Gemeinde in den Gottesdienst gelten ihnen als protestantisches Gedankengut. Sich selbst halten die Lefebvrianer für die einzigen Bewahrer der kirchlichen Tradition. "Die Wahrheit", so ihr Generaloberer Bernard Fellay, "ist eine eifersüchtige Köchin, wenn es um ihre Ausschließlichkeit geht."

Lefebvre, der eine steile kirchliche Karriere als Vatikandiplomat und Bischof in Afrika gemacht hatte, hatte als Generalsuperior der Spiritaner selbst am Konzil teilgenommen. Aus Protest gegen den Kurs der Kirche trat er 1968 als Ordensoberer zurück. 1969 gründete er in der Schweiz die Pius-Bruderschaft. Als in den Folgejahren der anti-konziliare Charakter offen zu Tage trat, wurde der Bruderschaft im Mai 1975 die kirchenrechtliche Legitimation entzogen. Im Jahr darauf erfolgte der Entzug der Weihe-Erlaubnis Lefebvres durch Papst Paul VI. Doch der suspendierte Erzbischof hielt sich nicht daran und weihte weiter Priester.

Logik des Überlebens
Die Aufsehen erregende Bischofsweihe von 1988 lag in der Logik des Überlebens der Priesterbewegung: ohne Bischof keine weiteren Priesterweihen. Der 83-Jährige sorgte vor für die Zeit nach seinem Tod, der ihn weniger als drei Jahre später ereilte. Noch kurz vor dem entscheidenden Schritt war Lefebvre zum Einlenken bereit gewesen. Er unterzeichnete eine vorläufige Übereinkunft mit Kurienkardinal Joseph Ratzinger, die er dann doch zurückzog.

Die Weihen Lefebvres, so besagt es das Kirchenrecht, sind unrechtmäßig, aber gültig. Sie zogen die "Tatstrafe der Exkommunikation" und den Ausschluss aus der kirchlichen Gemeinschaft nach sich, ausgesprochen durch Johannes Paul II. am 2. Juli 1988. Immer wieder sind die Päpste den Traditionalisten weit entgegengekommen, haben ihnen goldene Brücken gebaut. Nimmt man den unseligen Aspekt der Holocaust-Leugnung durch Bischof Richard Williamson aus, so reiht sich die Versöhnungsgeste Benedikt XVI. gut in die Geschichte der Auseinandersetzung ein.

Ohnehin sind die Grenzen zwischen der "offiziellen" Kirche und der Gemeinschaft Lefebvres in vielen Fragen fließend - vor allem an der Basis. Nur wenige der rund 600.000 Anhänger sind formell aus der Kirche ausgetreten. Nun ist zu klären, wie groß der Wille der Pius-Brüder zu Versöhnung und Kompromiss ist.