Suche nach Einsturz des Stadtarchivs schwierg - Staatsanwaltschaft ermittelt

Kaum noch Hoffnung für zwei Vermisste in Köln

Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln werden derzeit noch zwei Männer vermisst. Die Überlebenschancen der beiden Bewohner von Dachgeschosswohnungen der Häuser, die sich neben dem vierstöckigen Haus des Stadtarchivs befanden und am Dienstag ebenfalls zusammengefallen waren, sind nach Angaben der Feuerwehr gering. Die Staatsanwaltschaft Köln nahm unterdessen Ermittlungen gegen Unbekannt auf. Der durch den Gebäudeeinsturz entstandene Sachschaden ist immens. Über die Unglücksursache wurde am Mittwoch weiter spekuliert.

Autor/in:
Markus Peters und Sabine Meuter
 (DR)

Die Suche nach den beiden vermissten Anwohnern gestaltete sich unterdessen schwierig, da in der Umgebung des Unglücksorts weitere Häuser als einsturzgefährdet gelten. Es werde vermutlich noch bis Donnerstagnachmittag dauern, ehe die Unglücksstelle so weit abgesichert sei, dass im Schuttberg nach möglichen Opfern gesucht werden könne. Es sei so gut wie ausgeschlossen, sie noch lebend zu finden. Seit Dienstag wird die Unglücksstelle mit rund 1000 Kubikmetern Beton gesichert. Dadurch soll verhindert werden, dass der Boden erneut nachgibt.

Als mögliche Unglücksursache wird der Bau der U-Bahn genannt. Trotz des Gebäudeeinsturzes lehnt der Vorstandssprecher der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), Jürgen Fenske, einen Baustopp bei der Nord-Süd-Stadtbahn ab. Der Krisenstab des Unternehmens habe sich dagegen ausgesprochen, weil an keiner anderen U-Bahn-Baustelle vergleichbare Umstände wie an der Severinstraße vorlägen.

Oberbürgermeister: U-Bahnbau in Frage gestellt
Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der seinen Urlaub in Österreich abgebrochen hatte, stellte indes den Weiterbau der neuen U-Bahn-Linie unter der Altstadt infrage. «Ich halte das eigentlich jetzt fast für unverantwortlich», sagte Schramma. Der U-Bahnbau werde für ihn grundsätzlich zum Problem.

Wegen des Einsturz des Stadtarchivs und der beiden benachbarten Gebäude gehe die Staatsanwaltschaft dem Verdacht der Baugefährdung und der fahrlässigen Körperverletzung nach, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld.

Der Kölner Kulturdezernent Georg Quander gab den Versicherungswert des im eingestürzten Stadtarchiv gelagerten Materials mit rund 400 Millionen Euro an. Bei dem Archivbestand handele es sich «um das Gedächtnis des gesamten Rheinlandes und weit darüber hinaus», sagte Quander.

Wie viele Dokumente durch den Einsturz beschädigt oder vernichtet worden sei, könne man noch nicht abzusehen. Im schlimmsten Fall sei der Schaden höher als beim Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Die Kosten für die Restaurierung und Wiederbeschaffung der Bestände in Weimar werden auf 60 Millionen Euro geschätzt.

Das Zentrum für Bucherhaltung (ZfB) in Leipzig sah indes gute Chancen für die Rettung der verschütteten Dokumente. ZfB-Geschäftsführer Manfred Anders schloss nicht aus, dass sich die Schäden an dem Schriftgut in Grenzen halten könnten, falls das Material nicht nass werde. «Die größte Gefahr für das Archivmaterial stellt Feuchtigkeit dar», sagte Anders. Schäden an Schriftgut durch Einsturz hielten sich oft in Grenzen.

Laut Kultursstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) sind derzeit 20 Archivare und Restauratoren damit beschäftigt, den Bestand des Stadtarchivs zu bergen. Auch Restauratoren des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) bereiteten sich auf die Rettung des Materials vor. Entsprechende Gespräche liefen derzeit zwischen der Stadt Köln und dem Verband, sagte eine LVR-Sprecherin.

Das Stadtarchiv umfasst den Angaben zufolge Dokumente aus mehr als tausend Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, unter anderem 65 000 Urkunden, 104 000 Karten und eine halbe Million Fotos. Auch zahlreiche Nachlässe, darunter der des Schriftstellers Heinrich Böll, befinden sich in dem Archiv. Die früheste Urkunde stammt aus dem Jahr 922.