Kritik an Einmischung Merkels hält an - Unmut über Kanzlerin auch in der Union

Profilierung auf Kosten des Papstes?

Die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Papst Benedikt XVI. nach einer Klarstellung im Fall des Holocaust-Leugners Richard Williamson stößt bei katholischen Geistlichen aber auch in der Union auf Kritik. Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, zeigte sich "erstaunt" über die Äußerung Merkels. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis sagte: "Der Papst weiß, was er tut." Merkel habe mit ihren Äußerungen "daneben gegriffen". Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter warf der Kanzlerin Profilierung auf Kosten des Papstes vor.

 (DR)

Erzbischof Reinhard Marx sagte am Mittwoch im ARD-Brennpunkt, der Papst habe bereits in der vergangenen Woche zur Leugnung des Holocaust «sehr deutlich Stellung genommen» und auch «klar die Solidarität mit dem Judentum genannt». Es verwundere in schon, warum eine deutsche Bundeskanzerlin den Papst auffordere etwas zu sagen, was er bereits gesagt habe.

Merkel hatte am Dienstag mit Blick auf die Aufhebung der Exkommunikation des erzkonservativen britischen Bischofs Williamson und von drei weiteren Bischöfen der traditionalistischen Piusbruderschaft gemahnt, vom Papst müsse eindeutig klargestellt werden, dass es keine Leugnung des Holocaust geben könne und es «einen positiven Umgang natürlich mit dem Judentum insgesamt geben muss». Die Kanzlerin kritisierte: «Diese Klarstellungen sind aus meiner Sicht noch nicht ausreichend erfolgt.»

Mehrere Bischöfe hatten sich daraufhin gegen eine Einmischung der Politik in die Debatte verwahrt, so der Augsburger Bischof Walter Mixa und der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sprach sogar von einer «Kampagne» gegen den Papst. Auch der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt kritisierte Merkel.

Bischof Marx sagte nun: »Der Papst hat deutlich Stellung genommen gegen jede Leugnung des Holocaust. Er hat klargemacht, dass Antisemitismus bei uns in der Kirche keinen Platz hat. Meiner Ansicht nach ist damit alles gesagt.» Die Sache sei «nicht optimal« gelaufen, aber dem Papst Antisemitismus zu unterstellen, sei «ungeheuerlich».

Auch in ihrer eigenen Partei wird Kritik an der Protestantin Merkel laut. «Viele CDU-Mitglieder halten die Einlassungen der Kanzlerin nicht für richtig», sagte der CDU-Politiker Georg Brunnhuber, der Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe in der Unions-Fraktion ist. «Öffentliche Aufforderungen an den Heiligen Vater führen garantiert ins Leere.»

Vatikan entsetzt
Nach einem persönlichen Gespräch mit Benedikt XVI. am Mittwoch in Rom sagte Brunnhuber: «Im Vatikan ist man über die Diskussion in Deutschland geradezu entsetzt.» Er fügte an: «Es herrscht der Eindruck, dass alle antikatholischen Ressentiments, die in Deutschland schlummern, jetzt an die Oberfläche kommen.»

Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis kritisierte Merkel. Mit ihren Äußerungen habe die Kanzlerin "daneben gegriffen", sagte Geis der "Mitteldeutschen Zeitung": "Sie war offenbar nicht darüber informiert, dass der Papst schon am vorigen Mittwoch eine klare Stellungnahme abgegeben hat". Merkel hätte sich hier nicht einmischen sollen. "Ich halte das für unglücklich", sagte Geis und betonte: "Der Papst weiß, was er tut. Ihm kann man nicht vorwerfen, er wäre ein Holocaust-Befürworter."

Der CSU-Politiker Bernd Posselt warnte die Kanzlerin, sich weiterhin "als Lehrmeisterin des Papstes zu gerieren". Es sei zwar wahr, dass manche Probleme in der Kurie in Rom gelöst werden müssten. Die Kanzlerin solle sich aber lieber darum kümmern, "in der Berliner Koalition verstärkt christliche Grundsätze durchzusetzen". Dies sei "etwa in der Sozial- und Familienpolitik, beim Lebensschutz und in der Bioethik mehr als notwendig", erklärte Posselt.

Auch Bundestagspräsident Lammert verteidigte Benedikt XVI. "Vieles, was dem Papst jetzt unterstellt wird, ist beinahe bösartig, jedenfalls nicht redlich", sagte der CDU-Politiker in einem Interview mit dem Online-Portal des "Hamburger Abendblatts". Der Fall Williamson sei zwar "keine Lappalie" und dürfe nicht verniedlicht werden. Es gebe aber inzwischen "eine Art rhetorischen Überbietungswettbewerb, der "weder gerechtfertigt noch fair, noch in der Sache hilfreich" sei.

Der Passauer Politikwissenschaftler Oberreuter, der auch Direktor der Politischen Akademie in Tutzing ist, warf der Kanzlerin unterdessen vor, sie wolle sich auf Kosten des Papstes profilieren. «Indem sie den Papst attackiert, sucht sich Merkel ein relativ bequemes Profilierungsfeld, um die immer stärker zur FDP hin abwandernden Bürgerlich-Liberalen ohne enge Kirchenbindung wieder für die CDU zu gewinnen.»