Bundestag gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

"Verantwortung aus der Schoah Teil der deutschen Identität"

Der Bundestag hat am Dienstag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Wer sich der eigenen Vergangenheit nicht stelle, dem fehle das Fundament für die Zukunft, sagte Bundespräsident Horst Köhler bei der Feierstunde zum Holocaust-Gedenktag im Bundestag. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, der Holocaust bleibe immerwährende Warnung, wachsam zu sein und nicht zu schweigen, "wenn wir demokratische Regeln gefährdet sehen oder wenn Menschen Opfer von ideologisch motivierter Gewalt werden".

 (DR)

Die Verantwortung aus der Schoah sei ein Teil der deutschen Identität, sagte Köhler weiter. Die Trauer über die Opfer, die Scham über die furchtbaren Taten und der Wille zur Aussöhnung mit dem jüdischen Volk und den Kriegsgegnern von einst führten zu den "Wurzeln unserer Republik". Der erste Artikel des Grundgesetzes, "die Würde des Menschen ist unantastbar", sei die Antwort auf die Erfahrung der Hitler-Diktatur.

Köhler mahnte, die Erinnerung an den Holocaust aufrecht zu erhalten. Es gebe bereits viele gute Erinnerungsprojekte in Deutschland. Er hoffe, dass diese Nachahmer und Nachfolger fänden, sagte Köhler. Zwar stehe die Auseinandersetzung mit dem Naziregime und seinen Verbrechen in den Lehrplänen aller Schulformen. Aber Untersuchungen zeigen immer wieder, dass es mit dem Geschichtswissen "bei unseren jungen Leuten nicht zum Besten steht".

Erinnerung lebe von ihrer Unmittelbarkeit und Authentizität, sagte Bundestagspräsident Lammert weiter. Der Friedensnobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel habe einmal daran erinnert, dass jeder, der einem Zeitzeugen zuhöre, selbst zu einem Zeitzeugen werde. Dies sei keine Beobachtung, sondern ein Appell und die Verpflichtung "gut zuzuhören", sagte Lammert. "Als Zeugen ziehen wir die Lehren aus unserer Geschichte und geben sie an die nächste Generation weiter."

Erstmals seit Einführung des Holocaust-Gedenktages hat kein Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland als Gast an der Gedenkfeier im Bundestag teilgenommen. Die Zentralrats-Präsidenten, die bisher alle Überlebende des Holocausts waren, seien nie offiziell vom Bundestagspräsidenten begrüßt worden, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, dem epd in Berlin. Daher habe das Präsidium in diesem Jahr andere Termine anlässlich des Gedenktages wahrgenommen.

Deutschland erinnert seit 1996 zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 an die NS-Opfer.
Der Gedenktag geht auf eine Initiative des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zurück. 2005 erklärten die Vereinten Nationen den Tag zum weltweiten Holocaust-Gedenktag.