Katholische Kirche dokumentiert ihr Kulturgut

Verborgene Schätze

Nicht nur in Deutschlands großen Kathedralen gibt es Kunstschätze von unschätzbarem Wert. Auch in vielen weniger bedeutenden Gotteshäusern, in Pfarrhaus-Kellern oder in Tresoren lagern Bilder, Kelche und liturgische Geräte von Bedeutung. Viele sind bis heute unentdeckt. Und viele sind bedroht.

Autor/in:
Christop Arens
 (DR)

Beispielsweise in der Kirche im niedersächsischen Giesen: Auf dem Dachboden des Gotteshauses fanden die Hildesheimer Konservatorinnen Monika Tontsch und Claudia Günther eine vermutlich aus dem 17.  Jahrhundert stammende, etwa 30 cm hohe Holzstatue des heiligen Vitus, auf dem Kopf eine silbern bemalte und innen mit rotem Samt gefütterte Krone. Oder im Bistum Regensburg, wo sich der Kunstexperte Friedrich Fuchs daran erinnert, wie er in einer Pfarrgemeinde einen seit Generationen nicht mehr geöffneten Tresor durchsuchte und auf einen wertvollen Kelch aus dem 15. Jahrhundert stieß.

Seit Jahrzehnten bemühen sich die katholischen Bistümer, die Kunstschätze von Gemeinde zu Gemeinde zu inventarisieren - mit genauen Maßen, Fotos und kunsthistorischer Einordnung. Ein kostspieliger und mühsamer Prozess. Der aber neuerdings mit Hochdruck vorangetrieben wird.

Unwiderbringliche Zerstreuung droht
Denn nach Einschätzung der Deutschen Bischofskonferenz ist das kirchliche Kulturgut zunehmend bedroht. Weil Gemeinden zusammengelegt und etwa 700 katholische Gotteshäuser in den nächsten zehn Jahren nicht mehr liturgisch genutzt werden, drohe "unwiderbringliche Zerstreuung, ja Zerstörung des kirchlichen Kunstgutes", wie es in einer kürzlich veröffentlichten Arbeitshilfe der Bischofskonferenz heißt.

Kunstwerke geraten einfach in Vergessenheit, werden auseinandergerissen, unerkannt deponiert oder auch geklaut. Die Folgen lassen sich unter anderem beim Internet-Großhändler eBay besichtigen: Dort werden immer wieder Kelche oder Messgewänder zur Versteigerung angeboten. Nach Einschätzung der Bischöfe gibt es eine "steigende Nachfrage nach liturgischem Gerät". Es bestünden sogar "Hinweise auf blasphemischen Missbrauch der Gegenstände etwa in der okkultistischen oder satanistischen Szene".

Die Arbeit der Diözesen
Einer, der das verhindern will, ist der Kulturreferent der Deutschen Bischofskonferenz, Jakob Johannes Koch. Nach seinen Angaben gibt es derzeit in allen 27 katholischen Diözesen Arbeitsgruppen, die die Inventarisierung der Kunstgüter vorantreiben; 21 von ihnen arbeiten mit speziellen Computerprogrammen und elektronischen Datenbanken. In einem bundesweiten Arbeitskreis wird die Initiative koordiniert.

"75 Prozent des kirchlichen Kulturguts sind mittlerweile inventarisiert", schätzt Koch. 18 Diözesen hätten flächendeckend gearbeitet. Im Bistum Regensburg ist man dagegen noch lange nicht fertig. Inventarisator Friedrich Fuchs setzt auf penible Recherche statt auf Schnelligkeit. 500 von 2.500 Kirchen im Bistum hat der Einzelkämpfer seit 1991 untersucht - von der Architektur des Kirchengebäudes bis zu historischen Messgewändern und zu liturgischem Gerät, das gar nicht mehr gebraucht wird.

Ratschläge auch in Sicherheitsfragen
Ein von ihm selbst entwickeltes EDV-Programm speichert die Fotos und die umfangreichen kunstgeschichtlichen Studien und Einordnungen.
"Jede Gemeinde erhält nach Abschluss der Arbeiten ein regelrechtes Buch über ihre Kunstschätze", sagt der 56-Jährige, der nicht damit rechnet, dass er die Arbeit in seinem Berufsleben noch abschließen kann. Doch Fuchs inventarisiert nicht nur für die Datenbank: Er berät auch in Sicherheitsfragen und gibt Ratschläge für den Erhalt der wertvollen Gegenstände.

Fuchs ist sich sicher: Seine Arbeit hat nicht nur Bedeutung, wenn nach gestohlenen Kulturgütern gefahndet wird. Die Inventarisierung hat auch einen großen Wert für die Identität der Kirchengemeinden.

Gelegentlich, so erzählt er stolz, liefert die Untersuchung der Kunstgegenstände auch ein entscheidendes Mosaiksteinchen für die Geschichte einer Region oder einer Pfarrei. "Manchmal weiß auch niemand mehr, wer der Heilige da vorne in der Kirche ist", erzählt er. Und freut sich, wenn er ein Rätsel lösen kann.