Obama und Podolski bringen den "Messias-Faktor" in die Medien

Der Präsident und der Prinz

Was haben Barack Obama und Lukas Podolski gemeinsam? Beide werden von Freunden und Fans nahezu wie Heilige verehrt. Außerdem erhalten beide, so scheint es, an ihrer neuen Wirkungsstätte einen Empfang wie weiland der Messias bei seinem Einzug nach Jerusalem. Unter den Augen von Millionen TV-Zuschauern rund um den Globus hat US-Präsident Obama nach einer mehrtägigen Zugreise sein Amt im Weißen Haus angetreten. Und obwohl Noch-Bayernkicker Podolski erst im Sommer ins heimatliche Köln zurückkehrt, steht die Domstadt schon jetzt Kopf.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Natürlich sind die Dimensionen nicht direkt vergleichbar. Aber wer in diesen Tagen in der rheinischen Metropole unterwegs ist, könnte die «Obama-Mania» glatt vergessen. Die Euphorie über die Heimkehr des «verlorenen Sohnes» Podolski beherrscht seit Tagen die Schlagzeilen. Der 1. FC Köln, für den «Prinz Poldi» bereits von 1995 bis 2006 gegen das runde Leder trat, bietet auf seiner Internetseite gleich drei T-Shirts mit Motiven des beliebten Ballkünstlers an. Immerhin: Obama brachte es bis jetzt auf knapp 100 verschiedene T-Shirts, Polohemden und Pullover.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Politische Kommentatoren warnen angesichts von weltweiter Finanzkrise und Terrorgefahr vor den hochgespannten Erwartungen, die den neuen US-Präsidenten zu erdrücken drohen. Und Podolski sieht sich gar mit der Tatsache konfrontiert, dass sein künftiger «Heimat-Verein» mit dem aktuellen Trainer Christoph Daum schon einmal einen «Messias» willkommen geheißen hat. Zwei sind einer zuviel, unken Fußballexperten. Sie fürchten, dass die beiden Superstars Unruhe in das Mannschaftsgefüge bringen und daran letzten Endes scheitern könnten.

«Es ist schmerzhafter von einem hohen Sockel zu fallen, als auf der Straße zu stolpern», gibt auch der Trendforscher Eike Wenzel zu bedenken. Gleichzeitig beobachtet der Chefredakteur des Zukunftsinstituts im hessischen Kelkheim eine wachsende Sehnsucht nach Idolen und «Quasi-Heiligen». Davon erhofften sich viele Menschen mehr Gewissheit in einer immer komplexer werdenden Welt.
Der charismatische Obama mit seinem Versprechen, nach den mageren Jahren der Bush-Ära einen neuen Aufbruch zu wagen, verkörpere diese Hoffnung in ganz besonderer Weise.

Auch der Sportler Podolski biete seinen Fans eine ideale Projektionsfläche - allerdings nur regional begrenzt. «In Frankfurt würde so etwas schon nicht funktionieren», ist sich Wenzel sicher.
Und in München gelte der Stürmer sogar sportlich als gescheitert. Im kölschen Milieu allerdings, mutmaßt der Zukunftsforscher, zählten ganz andere Faktoren. Die rheinisch-katholische Mentalität sorge für die richtige Mischung aus immerwährendem Optimismus und der Bereitschaft zur Vergebung kleinerer oder größerer Formtiefs.

Ob das aber auf Dauer den Heiligen-Status sichern kann? Ein Fußballspiel dauert schließlich nur neunzig Minuten, eine Amtszeit des US-Präsidenten vier Jahre. Nicht gerade viel für die Kirche, die bekannt dafür ist, in Ewigkeiten zu denken. Deswegen dürfte die moderne Form einer «Heiligsprechung» eine geringere Halbwertzeit haben als die Kanonisierung durch die katholische Kirche. Und ob in ein paar Jahrhunderten noch jemand von der Bundesligasaison 2009/2010 spricht oder von den Wirtschaftsreformen eines US-Präsidenten Obama steht einstweilen in den Sternen.