Obama bringt neue Version des christlichen Glaubens ins Weiße Haus

Die etwas andere Amtseinführung

Wenn Barack Obama am Dienstag den Amtseid ablegt, nimmt erstmals seit mehr als 40 Jahren kein Graham als Geistlicher an den Feierlichkeiten teil: Seit Lyndon Johnsons Amtseinführung 1965 hat der Baptistenpastor Billy Graham noch für jeden neuen Präsidenten gebetet, außer 2001, als bei George W. Bush der Sohn Franklin für den erkrankten Prediger einspringen musste. Die Präsidenten standen gerne in Grahams Windschatten, ist der Evangelist in den USA doch eine der am meisten geachteten Persönlichkeiten. Doch mit Obama wird es anders.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Graham personifiziert geradezu das Image vom gläubigen und besonders gesegneten Amerika. Gegen seine Anwesenheit bei der «Inauguration» am Dienstag sprach jedoch schon sein angegriffener Gesundheitszustand. Sein 90-jähriger Vater sei schon «glücklich», wenn er morgens aus dem Bett herauskomme, sagte Franklin Graham der Zeitschrift «Christianity Today». Franklin selbst kam wohl nicht so recht in Frage bei der Amtseinführung eines Präsidenten, der Wandel und Toleranz verspricht.

Franklin Graham hat den Islam attackiert als «böse» Religion. In «Christianity Today» betonte er, dass Jesus die Herzen aller Menschen «reinige», die sich bekehrten. Jesus sei auch für Muslime gestorben. Sünder landeten in der Hölle, dem ewigen Feuersee.

Mit dieser Theologie kann Barack Obama wohl wenig anfangen. In seiner Autobiografie und mehreren Interviews hat Obama über seinen Glauben gesprochen. Er verstehe er sich als «born again» Christ, als wiedergeborener Christ, hat er vor Jahren gegenüber der «Chicago Sun Times» gesagt. 1988 habe er bei einem Gottesdienst zu Christus gefunden.

Andere Religionen führten aber auch zu der «höheren Macht». Am besten sei Glauben, wenn er «mit einer großen Zugabe von Zweifel kommt», denn es sei enormer Schaden angerichtet worden im Namen von Religion und Gewissheit, sagte Obama. Besonders wichtig sei ihm Jesu Auftrag, den «Hungrigen Essen zu bringen» und den «Geringsten Priorität zu geben und nicht den Mächtigen».

Mit seinen Amtseinführungspastoren hat Obama nun für Unruhe gesorgt. Den Segen bei den Feierlichkeiten am Dienstag spricht Rick Warren, Pastor einer evangelikalen Megakirche in Kalifornien, die aktiv ist im Kampf gegen Aids in Afrika, aber in den USA gegen die Homoehe. Die Einladung sei «eine Ohrfeige» für Obamas schwule und lesbische Wähler, protestierte ein kalifornischer Antidiskriminierungsverband. Obama verteidigte indes die Einladung:
Amerikaner müssten «zusammenkommen», auch wenn sie bei bestimmten sozialen Fragen unterschiedlicher Meinung seien.

Obamas Berater, der protestantische Theologe Shaun Casey, beschwichtigte ebenfalls: Obama fühle sich dem Pluralismus verpflichtet, sagte er. Man müsse die Teilnehmer an der Feier «in ihrer Gesamtheit» sehen.

Den Segen am Ende der Amtseinführung spricht der 87-jährige Methodistenpastor Joseph Lowery, in den 60er Jahren ein Mitstreiter von Bürgerrechtsführer Martin Luther King. Und beim Nationalen Gottesdienst am Mittwoch predigt Sharon Watkins, die Präsidentin der 700.000 Mitglieder zählenden und theologisch liberal eingestuften Christian Church (Disciples of Christ). Noch nie zuvor hat eine Frau bei diesem Gottesdienst die Predigt gehalten. Sie werden über «Inklusivität, Toleranz und Hoffnung» reden, sagte Obamas Pressesprecherin der «New York Times».

Nach den Protesten gegen Warren gab es auch ein Trostpflaster für die Kritiker. Der schwule Bischof der Episkopalkirche, Eugene Robinson, sollte am Sonntag bei einer Veranstaltung am Lincoln-Denkmal in Washington sprechen, der Auftaktverstaltung der Festlichkeiten.

Obamas Version des christlichen Glaubens ist wohl so symptomatisch für das Heute wie die Billy Grahams für das Amerika von gestern. Elemente aus Obamas Glauben decken sich mit dem Glauben zahlreicher US-Amerikaner: 70 Prozent der Gläubigen in den USA seien der Ansicht, viele Religionen führten «zum ewigen Leben», berichtete kürzlich das Meinungsforschungsinstitut «Pew Forum on Religion and Public Life».

In Washington wird unterdessen weiter gerätselt, welcher Kirchengemeinde die Obamas beitreten werden. In einem Fernsehinterview in dieser Woche sagte Obama, zahlreiche Menschen beteten für ihn, doch das ersetze nicht die Gemeinde. Für einen Präsidenten sei es aber «schwierig», eine Gemeinde zu finden.