Künftiger US-Präsident Obama plant große Versicherungsreform

Radikalkur für das Gesundheitswesen

Deutlichere Worte hätte Barack Obama kaum finden
können: Die Krise im Gesundheitswesen sei so gravierend, dass trotz der Rezession und eines Haushaltdefizits in Rekordhöhe eine große Reform nicht aufgeschoben werden dürfe. Noch im Jahr 2009 wolle er das Gesundheitswesen "ins 21. Jahrhundert bringen", betonte der designierte Präsident. Jeder Amerikaner müsse die Möglichkeit erhalten, eine bezahlbare Krankenversicherung abzuschließen.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Nach Regierungsangaben sind fast 50 Millionen (rund 16 Prozent) der US-Bürger nicht krankenversichert und etwa 25 Millionen unterversichert. Gleichzeitig steigen die Gesundheitsausgaben schneller als die Inflationsrate. Das bringt viele US-Bürger in existenzielle Nöte.

Die Krankenversicherungen sind in den Vereinigten Staaten weitgehend in Händen profitorientierter Firmen. Es gibt keine staatliche Kassen außer «Medicare» für Senioren und Programmen für die untersten Einkommensgruppen.

Die meisten Amerikaner, die einer Krankenkasse angehören, sind über ihren Arbeitgeber versichert, der freiwillig einen Teil des Beitrags zahlt. Ein Drittel der Unternehmen bietet allerdings keine Krankenversicherung an. Deren Beschäftigte sowie Selbstständige müssen privat Versicherungen abschließen. Viele bleiben aber ohne Absicherung, weil sie die hohen Prämien nicht bezahlen können oder chronische Krankheiten haben: Die Versicherungen versichern am liebsten die Gesunden.

Selbst wer versichert ist, hat es nicht einfach. «Es ist chaotisch», klagte die Ärztin und Harvard-Professorin Stephanie Woolhandler. Vor der Behandlung müsse für jeden Patienten zunächst geprüft werden, welche Untersuchungen, Behandlungen und Medikamente seine Kasse übernehme. Die Versicherungen gängelten Kranke und Mediziner mit oft willkürlich erscheinenden Vorschriften.

Jetzt soll es Tom Daschle richten, der designierte Gesundheitsminister. Obama hat ihn zum Architekten der großen Reform bestimmt. Das Ziel: Alle sollen versichert werden. Dazu schlägt Daschle ein System privater und staatlicher Versicherungen vor.
Geplant ist die Gründung einer öffentlichen Krankenkasse, die gleiche Konditionen anbieten soll wie die gegenwärtigen Versicherungen für Regierungsangestellte und Kongressabgeordnete.

Zudem sollen Steuererleichterungen kleineren Firmen helfen, ihren Beschäftigten Krankenversicherungen anzubieten. Vorgesehen ist auch eine Kontrolle der Arzt- und Medikamentenkosten und der Wirksamkeit von Behandlungsmethoden. Darüber hinaus sollen Patientendaten effizienter gespeichert und die Vorsorge gestärkt werden. Die Diskriminierung chronisch Kranker will die künftige Regierung verhindern.

Noch sei der Gesundheitsplan nicht perfekt, räumte Daschle ein.
Vor allem müssen er und Obama sich auf heftigen Widerstand gefasst machen. In Erinnerung ist ihnen noch, dass der letzte Anlauf zu einer Gesundheitsreform - unter Federführung der damaligen First Lady Hillary Clinton - Anfang der 90er Jahre deshalb scheiterte.

Das Projekt soll durch die Rücknahme von Steuerleichterungen für die oberen Einkommensgruppen finanziert werden - Protest ist deshalb vorprogrammiert. Das Fachblatt «Congressional Quarterly» erwartet ein heftiges Ringen im Kongress. Industrie und konservative Politiker lehnten vor allem Obamas Vorhaben ab, Bürgern auch eine neue staatliche Krankenversicherung anzubieten. Das sei eine «furchtbar schlechte Idee», sagte ein Sprecher der US-Handelskammer der «New York Times». Auch die privaten Krankenversicherungen werden - wie bei Hillary Clintons Vorhaben in den 90er Jahren - starken Einspruch erheben. «Sie befürchten die Konkurrenz der neuen staatlichen Kasse», erläutert Gesundheitsexpertin Woolhandler.