Psychologe: Nichtstun ist Lektion fürs Leben

Auf Aktionismus gepolt

Heute gibt es eine gute Ausrede, einmal nichts zu tun. Denn heute ist der "National Do Nothing Day", erfunden in Amerika. Was böse Zungen für Faulheit halten, ist tatsächlich eine wichtige Lektion fürs Leben, weiß der Kölner Psychologe Wolfgang Oelsner. Warum, erklärt er im domradio und gibt Tipps, wie man das Nichtstun am besten lernt.

 (DR)

domradio: Geht das überhaupt: nichts tun?
Wolfgang Oelsner: Das ist was Wunderschönes - nur schwer umzusetzen. Nichts zu tun, Pause zu machen - das ist ja die große Sehnsucht von uns allen. Und wir allen wissen, wie schwer das sein kann. Wichtig ist es auf jeden Fall. Wichtig für große und kleine Menschen, weil aus dem Nichtstun und aus der Langeweile oft auch die Kreativität erwächst.  

domradio: Warum ist gerade für Kinder Nichtstun so wichtig?
Wolfgang Oelsner: Weil eben aus diesem Status, man nichts gezielt machen zu müssen, eben Ideen entstehen können. Kinder machen das in ihren Rollenspielen. Da machen sie eine Lebenserfahrung, die nichts kostet. Sie müssen keine harten Konsequenzen der Wirklichkeit fürchten. Diese Erprobung öffnet uns Türen, die sonst verschlossen sind. Wir schauen in Bereiche hinein, die wir sonst übergehen, und dabei entdecken wir auf einmal etwas. Momente, die Erwachsene vielleicht aus dem Urlaub kennen. Wir sind z.B. daran gewöhnt, bestimmte Hauptstraßen entlang zu fahren, weil wir eilig an einem bestimmten Ziel sein müssen. Und dann haben wir auf einmal Urlaub und können es uns leisten, Nebenstraßen zu nehmen. Das macht etwas mit uns, es erweitert unsere Weltsicht. Das können wir dann später in unserer "ernsten Welt" wieder mit einbringen.

domradio: Wie können wir Erwachsene das Nichtstun wieder lernen?
Wolfgang Oelsner: An Eckpunkten des Tages machen wir das ja schon, an Abendstunden, wenn man liest oder Musik hört. Das sind so kleine Winke aus dieser "anderen Welt" - und manchmal findet man die schön und sagt sich: Davon will ich mehr haben. Das könnte ein kleines Einstiegsmodell sein, aus dem größere Phasen erwachsen können.
Im Urlaub machen wir das ja auch. Und letztlich sind das alles vorbereitende Übungen für eine Phase im Leben, in der wir alle plötzlich viel Zeit haben werden und gucken müssen, wie wir dann damit umgehen. Eigentlich sind wir doch alle mehr darauf gepolt, mit Aktionismus und Betriebsamkeit vorzugaukeln: Nur wer das macht, ist erfolgreich, der ist in der Gesellschaft und zählt  zu uns. Aber für uns alle kommt die Zeit, wo das nicht mehr geht.
Ich habe viel in Pflegeheimen zu tun. Es ist immer sehr anrührend zu hören, dass die Menschen dort nicht nur unglücklich sind, nicht mehr mobil zu sein. Sie haben die Bilder ihrer früheren Mobilität nur noch im Kopf, nach außen machen sie nichts mehr. Sie liegen und sitzen - das ist aber doch auch sehr aktiv. Und wir können als Jugendliche und Erwachsene bereits beginnen, uns darauf vorzubereiten.

Hören Sie hier das Interview in voller Länge.