Bei den Franziskanerinnen in Münster schöpfen gestresste Geschäftsfrauen neue Kräfte

Kloster auf Zeit

Für eine begrenzte Zeit in die Welt christlicher Ordensfrauen und -männer einzutauchen liegt im Trend. Bei den Franziskanerinnen in Münster schöpfen gestresste Geschäftsfrauen neue Kräfte. Für manche sogar ein Weg zurück zum Glauben.

Autor/in:
Andrea Kutzendörfer
 (DR)

Im Mutterhaus der Franziskanerinnen in Münster ist es ruhig. In einer kleinen Sitzecke sind Marketing-Fachfrau Susanne und Ordensschwester Annette in ein Gespräch vertieft. Sie brauche eine Auszeit, wolle neue Kraft tanken, erzählt die Frankfurterin. Zum ersten Mal habe sie eine Woche Klosterleben gebucht: "Ein Klischee besagt, hinter Klostermauern wird nur gefroren, gehungert und gebetet. Ich dagegen erlebe viel Wärme und Zuneigung."

"Die Gründe, aus denen Frauen für eine begrenzte Zeit zu uns kommen, sind ganz unterschiedlich", berichtet Schwester Hiltrud. Mit Schwester Annette ist sie für die geistliche Begleitung der Gäste zuständig. Die einen wollen im "Kloster auf Zeit" einfach nur zur Ruhe kommen, um neue Energie zu schöpfen. Die religiöseren Menschen möchten sich neu orientieren oder ihren Glauben vertiefen.

"Die Zahl der Anfragen nimmt zu. Sie liegt zurzeit bei 20 Besucherinnen pro Jahr", berichtet Schwester Hiltrud. Aufgenommen werde Frauen jeder welcher Konfession, für ein paar Tage oder auch schon mal für länger. "Ich höre bei den Anfragen aber ganz genau hin", versichert die Nonne. "Urlaub im Kloster" böten sie und ihre 100 Mitschwestern nämlich nicht an. So komme es auch schon mal vor, dass sie jemanden abweise.

"Wir Ordensfrauen leben nicht mehr wie im Mittelalter"
Der Tagessatz für den Aufenthalt liegt bei 42 Euro. "Wenn ich aber spüre, dass jemand das nicht zahlen kann, finden wir auch dafür eine Lösung", sagt Schwester Hiltrud.

"Wir Ordensfrauen leben nicht mehr wie im Mittelalter. Franziskanisches Leben bedeutet, unter Menschen und gastfreundlich zu sein", räumt Schwester Hiltrud mit Vorurteilen auf. So seien die Besucherinnen, für die fünf Gästezimmer bereitstehen, eingeladen, an Gottesdienst- und Gebetszeiten wie auch an den Mahlzeiten teilzunehmen. Im Mittelpunkt steht aber der Austausch mit den Schwestern. "Es entwickeln sich in der Regel tiefe Gespräche", sagt die Franziskanerin.

Mitarbeiten dürfe man im Mutterhaus übrigens auch - im Speisesaal, in der Küche oder im Wohnheim für ältere Mitschwestern. "Die meisten, die zu uns kommen, brauchen aber Ruhe."

Weg zurück zum Glauben
"Ich nutze diese Auszeit vor allem, um einen Weg zurück zum Glauben und dadurch zu neuer Kraft zu finden", sagt Susanne aus Frankfurt. Besonderen Stress im Beruf habe sie nicht. Sie suche eher nach neuen geistlichen Denkanstößen. Bekannte hätten sie auf die Idee gebracht, für eine Zeit ins Kloster zu gehen.

Sara aus Recklinghausen ist schon zum dritten Mal im münsterschen Kloster. "Hier wird mir eine andere Welt vermittelt. Das Erlebnis nehme ich mit in meinen Alltag."

Für eine begrenzte Zeit in die Welt christlicher Ordensfrauen und -männer einzutauchen, liege im Trend, bekräftigt Jens Ofiera vom Nordrhein-Westfalen Tourismus e.V. "Die Zahl der Klöster im Land ist sehr hoch. Viele öffnen ihre Türen für unterschiedliche Formen des Aufenthalts. Das reicht vom Wellness-Urlaub bis hin zum spirituellen Angebot", sagt der Tourismus-Experte.

"Die Gäste erleben das Kloster als eine Art Insel", bestätigt Schwester Hiltrud. "Aber auch für mich ist das Zusammentreffen bereichernd. Ich freue mich, wenn ich mit einem Gespräch helfen kann." Zumal bei der Stille auch weniger willkommene Gedanken auf einen Menschen zukämen.

"Das fangen wir auf", versichert Schwester Hiltrud, die wie Schwester Annette in Gesprächsbegleitung ausgebildet wurde. "Natürlich stoßen wir auch an Grenzen", erzählt Schwester Annette. "Wir bieten schließlich geistliche Begleitung und keine Psychotherapie an."