Die Römer warten seit inzwischen 15 Jahren auf ihr geraubtes "Bambinello"

Keine Spur vom Christkind

Ein spektakulärer Kriminalfall Roms ist noch immer ungelöst: Vom Jesuskind auf dem Kapitol fehlt auch nach 15 Jahren jede Spur. Längst hat eine originalgetreue Kopie das golddekorierte "Bambinello" ersetzt, aber alle hoffen, dass das echte Bambinello zurückkommt.

Das Bambinello: Für Generationen von Römern das Inbild des Christkinds (KNA)
Das Bambinello: Für Generationen von Römern das Inbild des Christkinds / ( KNA )

Das Bambinello war für Generationen von Römern das Inbild des Christkinds. Ein schnödes Faksimile ist es, mit dem Kardinal Salvatore De Giorgi am Dreikönigsabend vor die Kirche Santa Maria in Aracoeli tritt, um von der ewig langen Treppe herab den traditionellen Segen über die Dächer der Stadt zu spenden. Viele glauben, dass auch dieser Ritus wirkt.

Für eingefleischte Römer ist das Bambinello so etwas wie das Gegenstück zur bronzenen Wölfin, die ein paar Schritte weiter auf einer Säule Romulus und Remus säugt: Symbol ihrer Identität. Mythisch ist der Ursprung des Wappentiers, wunderhaft die Herkunft des Bambinello: Ein Franziskanerbruder im 16. Jahrhundert schnitzte es der Überlieferung nach aus Olivenholz des Gartens Getsemani, Engel bemalten es über Nacht. Auf dem Weg nach Italien erlitt der Bettelbruder Schiffbruch, der Kasten mit dem Jesuskind legte die letzten Seemeilen ans rettende Ufer von selbst zurück.

Die Römer liebten das Bambinello auf Anhieb. Sie vertrauten ihm Bitten an und fanden sie erhört, sie schmückten es mit goldenen Ordenssternen, Perlen und Edelsteinen. In der Weihnachtskrippe spielt es die absolute Hauptrolle, selbst noch als Remake: Aufrecht stehend in seiner gleißenden Pracht balanciert es auf dem Knie der Gottesmutter, die schützend ihre Hände zu den Seiten hält, ein goldener Wonneproppen mit einer mächtigen Krone und gütigen Augen.

Und dann der dreiste Coup 1994
Umso dreister fand man den Coup vom 1. Februar 1994. Vermutlich waren es drei Diebe, die über ein Außengerüst in die Kirche einstiegen. Im Unterschied zu seinem Nachfolger war das Original kaum gesichert. Die römische Öffentlichkeit reagierte einmütig empört: Mehrere Hundert Ganoven in Roms Haftanstalten riefen die Täter zur Reue auf, Adelsfamilien boten ein Lösegeld an. Das aber lehnten die Franziskaner als Hausherren der Kirche ab, um nicht einen Präzedenzfall zu schaffen.

Die Ordensleute setzen weiter auf die italienische Polizei und eine gute Fügung. "Vielleicht ist es in einer Privatsammlung gelandet", sagt der Franziskanerbruder Mauro Zannin. Ob die Figur eines Tages jedoch auf dem Kunstmarkt auftaucht, wie Zannin hofft, ist für Experten fraglich - sie ist zu bekannt. Die mit Kunstraub befasste Sonderabteilung der Carabinieri verfolgte Fährten im In- und Ausland, bis nach Argentinien. Vor wenigen Jahren spürte sie einige Fälschungen des Bambinello auf, nicht aber das echte Jesuskind von Aracoeli.

Einer unbequemeren Vermutung zufolge hatten die Diebe es auf den Goldschmuck abgesehen. Demnach könnte die Wunderstatue unwiederbringlich zerstört sein. Ein ebenso absurder wie roher Akt wäre das aus Sicht von Bruder Mauro: Erst kurz vor dem Raub hatte man im Zuge einer Restaurierung den größten Teil der Preziosen entfernt.

"Vielleicht will es, dass wir auf seine Rückkehr warten"
Die größten Fans des Bambino wissen nichts von dem frevelhaften Raub: In der Generation der Jüngsten ist die Verehrung ungebrochen, auch wenn insgesamt, so Zannin, der Pilgerdruck etwas nachgelassen hat, "wie überall". In Briefen schicken die Kinder dem Jesuskind von Aracoeli weiterhin ihre Wünsche und Sorgen. Mehrere Hundert seien es jedes Jahr, "auch aus dem Ausland". In ihren Gottesdiensten beten die Franziskaner für die Anliegen, ein eigenes Archiv verwahrt jede Zuschrift.

Den Kleinen bleibt das Staunen über das majestätisch-freundliche Christkind im Kreis der Heiligen Drei Könige und ihrer Begleiter, Orientalen und Afrikaner, lebensgroß und in brokatenen Gewändern. Für die Älteren ist das verschwundene Bambino ein Stück verlorene Kindheit. "Vielleicht will es, dass wir auf seine Rückkehr warten", sagt ein Besucher, Melancholie in der Stimme. Bruder Mauro meint:  "Könnte ja sein, dass es einmal bei Ebay angeboten wird."