Neuer Militärpfarrer musste bereits drei Soldaten beerdigen - Dienstreise nach Afghanistan

Seelsorger für die Soldaten

Hans-Richard Engel ist erst seit Anfang September Militärpfarrer. Zeit zum Eingewöhnen blieb ihm nicht. Sein erster Arbeitstag begann mit der Trauerfeier für einen 29-jährigen Soldaten, der bei einem Anschlag südlich von Kundus ums Leben gekommen war.

Autor/in:
Kathrin Hedtke
 (DR)

Hans-Richard Engel hat in seinem Büro einen großen Vorrat an Süßigkeiten: Auf dem Couchtisch des katholischen Militärpfarrers in der Zweibrücker Niederauerbach-Kaserne steht ein Korb gefüllt mit kleinen Schokofiguren, im Regal liegen fünf Tafeln Schokolade. "Im Laufe des Nachmittags kommen die Soldaten vorbei", erklärt der Seelsorger. Meist klopften die Fallschirmjäger in den Abendstunden und wollten einfach nur reden: über quälende Erlebnisse in Afghanistan, den Verlust eines Kameraden oder Probleme mit der Familie. Engel sitzt dann auf seinem braunen Polsterstuhl und hört zu.

Der Pfarrer ist erst seit Anfang September als Seelsorger in der Niederauerbach-Kaserne. Er selbst war nie bei der Bundeswehr. "Für mich ist alles neu", sagt der 45-Jährige und zeigt auf den Schreibtisch, wo ein kleines Plakat mit den Dienstgraden der Bundeswehr liegt. Er komme manchmal immer noch durcheinander, gesteht Engel. Die Kaserne sei eine eigene Welt.

Sein erster Arbeitstag begann mit der Trauerfeier
Zeit zum Eingewöhnen blieb dem Militärpfarrer nicht. Sein erster Arbeitstag begann mit der Trauerfeier für einen 29-jährigen Soldaten, der bei einem Anschlag südlich von Kundus ums Leben gekommen war. Engel kümmerte sich um die Organisation des Gottesdienstes. Fünf Tage vorher hatte der Pfarrer im Radio von einem Attentat auf deutsche Soldaten gehört, kurz darauf fiel das Wort Zweibrücken. "Das war ein ganz schlechtes Gefühl", erinnert er sich. Plötzlich habe er dazugehört. Engel blickt aus dem Fenster. Er habe jetzt eine Ahnung davon, was Kameradschaft bedeute, sagt er.

Etwa sieben Wochen später saß der Seelsorger im Zug nach Berlin, als sein Handy klingelte: Erneut waren zwei junge Fallschirmjäger aus Zweibrücken bei einem Selbstmordanschlag nahe Kundus getötet worden. Zurück in seiner Zweitwohnung in Mainz hielt es Engel nicht lange aus, er setzte sich ins Auto und war nachts um 2.30 Uhr in Zweibrücken. "Ich wollte da sein und zuhören", erklärt er. Soldaten hätten die Idee gehabt, in der Kapelle eine Trauerfeier nur für die Kompanie zu organisieren. In dem braun gefliesten Raum mit dem kleinen Holzaltar nahmen sie im kleinen Kreis Abschied.

Nach Angaben von Engel gibt es in Deutschland insgesamt etwa 200 katholische und evangelische Militärpfarrer. Die Tendenz gehe nach oben. Durch den Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Einsatzarmee bekomme die Seelsorge eine größere Bedeutung. Sein evangelischer Kollege ist gerade für vier Monate in Afghanistan, auch Engel wird nach einer Eingewöhnungsphase ins Einsatzgebiet reisen. Er rechnet ab nächstem Sommer mit der Nachricht.

"Die Belastung und der Druck nehmen zu"
Je näher das Datum rücke, desto aufgeregter werde er wohl. "Die Belastung und der Druck nehmen zu", vermutet der Pfarrer. Er holt eine khakifarbene Bundeswehrjacke mit Tarnmuster aus dem Schrank. Das sei keine Uniform, betont er. "Ich bin ein Zivilist in Schutzkleidung." Der Pfarrer zeigt auf ein weißes Kreuz, das auf den Schulterklappen statt eines Rangabzeichens eingestickt ist. Aus der Entfernung sei der Unterschied nicht zu erkennen, räumt Engel ein.

Wie er zu diesem gefährlichen Job gekommen ist, weiß er selbst nicht so genau. Zunächst sei er in der Schul- und Jugendseelsorge tätig geworden, dann habe er als Pfarrer in Mainz gearbeitet. "Eine sehr schöne und große Pfarrei", fügt Engel hinzu. Dort habe er sich sehr wohl gefühlt - bis ihm der Weihbischof in einem persönlichen Gespräch die Stelle als Militärpfarrer anbot. So eine Stelle werde nicht ausgeschrieben, erklärt der 45-Jährige: "Man wird gefragt."

Er habe lange mit der Entscheidung gerungen. Die zentrale Frage sei gewesen, ob er "die Härte eines Auslandseinsatzes" aushalten könne - vier Monate in Angst und unter ständiger Bedrohung. An der Richtigkeit des Einsatzes zweifelt er indes nicht. Er sei davon überzeugt, dass die Bedrohung im Inneren und Äußeren bekämpft werden müsse. "Das Böse gibt es", sagt Engel. Seine Entscheidung habe er nicht bereut. Er sei jemand, der gerne etwas Neues mache.