Vor 50 Jahren starb Lion Feuchtwanger

Der Schmerz des Exils

Schockierenderes dürfte einem Schriftsteller wohl kaum je passiert
sein: Als Lion Feuchtwanger 1925 seinen Roman "Jud Süß" veröffentlichte, wurde er international berühmt. Doch 15 Jahre später machten die Nazis aus seinem Werk einen der übelsten antisemitischen Propaganda-Filme der Geschichte. Feuchtwangers populärsten Roman liest man bis heute nicht ohne Beklommenheit.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Der international erfolgreiche Schriftsteller, 1884 in München als Sohn eines jüdischen Fabrikanten geboren und vor 50 Jahren, am 21. Dezember 1958, in Los Angeles gestorben, gilt als Erneuerer des historischen Romans in Deutschland. Geschichte betrachtete er als Prozess, aus dem der Leser Lehren für die Gegenwart ziehen kann. Persönlichkeiten und Ereignisse der Vergangenheit wurden ihm zum Stoff, um für Aufklärung und Vernunft zu werben. Seine eigenen Erfahrungen als deutscher Jude, die Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der schmerzliche Gang ins Exil flossen in die Romanstoffe ein.

Feuchtwanger war einer der ersten Schriftsteller, der sich während des Ersten Weltkrieges in Theaterstücken und -kritiken gegen den überschwänglichen Nationalismus der Deutschen wandte. Sein kurzer Militärdienst endete wegen Kurzsichtigkeit. 1918 erlebte er in München die Revolution. 1920 begegnete er dort Bertolt Brecht, mit dem er künftig freundschaftlich zusammenarbeitete.

Sein erster, sich aktuellen Ereignissen widmender Roman "Erfolg" (1930) erzählte nicht nur vom Emporkommen der Nazis in Bayern, sondern lieferte auch die psychologische Deutung einer dumpfen Bürgerlichkeit und analysierte die enge Verzahnung zwischen Politik, Justiz und Großindustrie. Kein Wunder, dass Feuchtwangers Bücher verbrannt wurden, als die Nazis 1933 an die Macht kamen. Der Romancier wurde ausgebürgert, sein Haus in Berlin geplündert und beschlagnahmt.

Von einer Vortragsreise in den USA kehrte der Schriftsteller deshalb nicht nach Hause zurück, sondern ging in das südfranzösische Sanary-sur-Mer und 1937 zwischenzeitlich nach Moskau, wo er die Exilzeitschrift "Das Wort" mit herausgab. Dass er Stalin und die Sowjetunion verklärte, gehört zu den dunklen Flecken in der Biographie. Von 1939 bis 1940 wurde Feuchtwanger in einem Lager im französischen Aix-en-Provence interniert. Durch Fürsprache der US-Präsidentengattin Eleanor Roosevelt kam er frei und setzte sich in die USA ab.

Er selber kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück
Dieses Leben in Unsicherheit und Angst verarbeitete Feuchtwanger unter anderem in den Romanwerken "Die Geschwister Oppermann" (1933) und "Exil" (1940), die er später mit "Erfolg" zur Trilogie "Der Wartesaal" zusammenfasste. Immer wieder kreiste sein Denken auch um die Frage, wie Juden in einer nichtjüdischen und sogar feindlichen Umgebung leben konnten: Anpassung oder Festhalten an jüdischer Identität? In den zur Josephus-Trilogie gehörenden Werken "Der jüdischen Krieg" (1932), "Die Söhne" (1935), und "Der Tag wird kommen" (1945) geht es um den antiken Schriftsteller Flavius Josephus (37 bis 100 n. Chr.), der sich als Weltbürger sieht und mit brennendem Ehrgeiz versucht, das Römische und das Jüdische in sich zu vereinen. Doch die Gegensätze drohen ihn zu zerreißen. Josephus verlässt das umworbene Rom und kehrt zurück an seinen Ursprung.

Feuchtwanger selber kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück, eckte aber auch in den USA politisch an. Im Zuge der Verfolgung von Sozialisten und Kommunisten unter Senator Joseph McCarthy wurde er des Kommunismus verdächtigt; die US-Staatsbürgerschaft wurde ihm verweigert. Diese Situation gab den Anstoß zu dem Theaterstück "Wahn oder Der Teufel in Boston" über die Hexenverfolgung in Massachusetts..

Feuchtwanger war einer der wenigen deutschen Schriftsteller, die auch im Exil ihre Leserschaft fanden. Seine Romane "Die Brüder Lautensack" (1944), "Die Jüdin von Toledo" (1955), vor allem aber "Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis" (1951) wurden zu großen Erfolgen in den USA.