Römische Benediktinerabtei bittet Orthodoxe und Protestanten zum Gebet und Essen

Ökumenischer Aperitif

Die Wächter der römischen Basilika St. Paul vor den Mauern löschen abends um sieben hinter dem letzten Besucher die Lichter. Etwa alle zwei Monate machen sie auf Bitten des angrenzenden Benediktinerklosters aber eine Ausnahme, wenn Abt Edmund Power zum ökumenischen Aperitif einlädt.

Autor/in:
Bettina Gabbe
 (DR)

Die Klostergemeinschaft kümmert sich vor allem um Pilger verschiedener christlicher Konfessionen, die das Paulus-Grab zahlreich besuchen.

Die Basilika gehört neben dem Petersdom, dem Lateran und Santa Maria Maggiore zu den vier Patriarchalbasiliken der Stadt. Hier feiern Kirchenoberhäupter jedes Jahr am Ende der Gebetswoche für die Einheit der Christen einen ökumenischen Gottesdienst. "Danach geht jeder wieder seiner Wege", klagt Abt Power. In der langen schwarzen Kutte scheint der schmale und hoch gewachsene Brite das mönchische Ideal der Askese zu verkörpern. Das auf eine Woche im Jahr beschränkte ökumenische Großereignis reiche nicht aus, erklärt er mit gewinnender Herzlichkeit. Seit zwei Jahren lädt er die 30 in Rom vertretenen Kirchen regelmäßig ins Kloster ein.

Mehrere Brüder der Gemeinschaft erwarten die Gäste, die die Einladung zu einer "informellen Begegnung" angenommen haben, am Eingang des Klosters. Alte Bekannte unter ihnen wie etwas ein rumänisch-orthodoxer Priester werden mit einer herzlichen Umarmung begrüßt. Durch den mittelalterlichen Kreuzgang und schwach erleuchtete Gänge geht es in die fast gänzlich ins Dunkel getauchte Basilika. "Am schönsten ist es hier, wenn die Besucher gegangen sind", schwärmt der Abt.

"Das Christkind fehlt noch"
Seine Mitbrüder zeigen begeistert auf die Krippe. "Das Christkind fehlt noch", lacht einer von ihnen. Ein anderer weist auf den technisch hoch modernen Himmel im Hintergrund hin, über den nach rotem Abendlicht bei Nacht eine Sternschnuppe zieht, bevor die Szene in bleiches Frühmorgenlicht getaucht ist. "Das ist der Halleysche Komet, wir sind fortschrittlich", lacht der aus Österreich stammende Bruder Johannes Paul. "Den Schäfer sollte man weiter weg vom Feuer setzen, sonst verbrennt noch sein Gewand", fügt der Abt angesichts der neben einem roten Flackerlicht knienden Figur hinzu.

Gemeinsam steigen die Benediktiner mit ihren nach dem herzlichen Empfang gut gelaunten Gästen die Stufen vor dem Hauptaltar zum Grab des Apostels Paulus hinunter. Hinter dem Gitter fällt ein brauner Fleck auf dem Stein vor dem Sarkophag auf. Das sei Erde aus Tarsus, dem Geburtsort des Apostels in der heutigen Türkei, heißt es. Der dortige Bürgermeister habe sie im Rahmen einer kleinen Zeremonie mit zwei weiteren Muslimen vor einem Monat hier abgelegt, erzählt Abt Power stolz. Bruder Johannes Paul berichtet, wie er mit einer Gruppe jüdischer Besucher hier gemeinsam ein Gebet gesprochen habe.

Nach einem gemeinsamen Vaterunser führen die Benediktiner ihre Gäste entlang sparsam beleuchteter Gänge mit eingemauerten Fragmenten von Ausgrabungsstücken in das Besuchszimmer des Abts zum Aperitif.
Hier verkündete Papst Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 das Zweite Vatikanische Konzil. Nach dem von Salzstangen und Pistazien begleiteten alkoholfreien Umtrunk bei ungezwungener Unterhaltung geht es zum Abendessen im Refektorium.

Auf angeregte Unterhaltung folgt eine Mahlzeit in Schweigen. Ein Mönch liest fromme Betrachtungen und Kirchentermine vor, während Bestecke und Teller leise klappern. Die Benediktiner und ihre Gäste sitzen an hufeisenförmig angeordneten Tischen - so, dass jeder jeden sehen kann. So lernt man einander beim gemeinsamen Abendmahl auch ohne Kommunion besser kennen.