Auch nach der Vatikan-"Instruktion" - ungewollte Kinderlosigkeit bleibt ein Dilemma

Zwischen Wunsch und Würde

Viele unfruchtbare Paare sehen eine künstliche Befruchtung als letzte Chance zum Wunschkind. Doch eine Zeugung im Reagenzglas ist für Katholiken nicht erlaubt, das bekräftigt die "Instruktion" zu Fragen der Bioethik der Römischen Glaubenskongregation erneut. Ein Dilemma für die betroffenen Paare.

Autor/in:
Thomas Winkel
 (DR)

Schwanger - oder wieder nicht? Jeden Monat taumelten Petra und Klaus M. zwischen guter Hoffnung und bitterem Bangen. Bei den Enddreißigern tickte die biologische Uhr. Deshalb schalteten sie beim Sex den Kopf nicht mehr aus, sondern ein: Die erfolgreiche Versicherungsmanagerin verschob bisweilen Dienstreisen, der Anwalt schlich sich dann früher aus der Kanzlei. Alles für einen Moment: um in den fruchtbarsten Stunden der fruchtbaren Tage im Ehebett zu landen. Der Beischlaf mit Berechnung wurde für sie zur Last.

Doch regelmäßig folgte die Enttäuschung: "Wieder nicht schwanger!" Eine Adoption kam für Petra und Klaus nicht in Frage, und so haben sie weiter geliebt, geweint, gestritten. Bis vor acht Jahren. Nach eingehender Lektüre und Beratung bei Fachärzten entschloss sich das Ehepaar aus dem Ruhrgebiet zur künstlichen Befruchtung. Und das, obwohl sich beide als praktizierende Katholiken bezeichnen und es nach kirchlicher Lehre einen untrennbaren Zusammenhang gibt zwischen "liebender Vereinigung und Fortpflanzung". Eine Zeugung im Reagenzglas ist danach nicht erlaubt. Dies wird jetzt erneut bekräftigt in einer "Instruktion" zu Fragen der Bioethik, die die Römische Glaubenskongregation am Freitag vorstellte.

Das Dokument trägt den Titel "Dignitas personae" (Die Würde der Person) und betont: "Die menschliche Fortpflanzung ist ein personaler Akt des Paares von Mann und Frau, der in keiner Wiese delegiert oder ersetzt werden kann." Zudem rechtfertige der Wunsch nach einem Kind nicht dessen künstliche Produktion - vor allem deshalb, weil bei Befruchtungen im Labor fast immer überzählige Embryonen anfallen, die irgendwann getötet werden.

Trotz ethischer Bedenken Alltag in vielen Ländern
Trotz dieser ethischen Bedenken ist es in vielen Ländern heute medizinischer Alltag, dass Kinder in der Retorte und nicht im Körper der Mutter entstehen. Viele unfruchtbare Paare sehen die In-vitro-Fertilisation (IvF) als letzte Chance zum Wunschkind. In Deutschland sind nach Angaben von Gynäkologen-Verbänden fast 15 Prozent der Paare ungewollt kinderlos, Tendenz steigend. Und so kamen in den vergangenen Jahren Zehntausende Retortenkinder zur Welt.

Eines von ihnen ist der inzwischen sechsjährige Sohn von Petra und Klaus. Die finanziellen Kosten seiner Zeugung sind klar zu beziffern: Sie liegen bei etwa 10.000 Euro. Gesetzlich Versicherte müssen neuerdings die Hälfte selbst übernehmen. Seither ging die Zahl der Geburten von künstlich gezeugten Mädchen und Jungen deutlich zurück. Proteste aus der betroffenen Medizinbranche blieben nicht aus. Der ethische Streit um die Vertretbarkeit dieser Reproduktionstechnik ist hingegen nahezu verstummt.

Dabei sind viele Fragen weiter ungeklärt. Dazu zählt die Überlegung, welchen Rechtsstatus die so gezeugten Embryonen haben. Dürfen als genetisch krank erkannte Embryonen verworfen werden? Wohin mit überzähligen Embryonen? Aber auch: Welche Erwartungen haben Eltern an ihr Retortenkind, das schon wegen der "Produktionskosten" zumeist ein Einzelkind bleiben dürfte? Und wie verhindert man, dass die Diagnose-Möglichkeit am Reagenzglas-Embryo nicht doch zur Auswahl von "Designerbabys" führt.

Zwischen Wunsch und Würde
Die Versicherungsfrau und Mutter aus dem Ruhrgebiet, die in einem Pfarrgemeinderat mitarbeitet, kennt Fragen wie diese. Auch wenn sie sich als intellektuell und leicht philosophisch bezeichnet, die Entstehungsgeschichte ihres Sohnes sieht sie pragmatisch: "Was wir vorher alles veranstaltet haben - ob das natürlicher gewesen sein soll als die künstliche Befruchtung?"

Auch das katholische Lehramt bekundet immer wieder Verständnis für die Not von Paaren, die ungewollt kinderlos bleiben. In der neuen "Instruktion" etwa heißt es: "Die Kirche hält den Wunsch nach einem Kind für berechtigt, und sie versteht die Leiden der Ehepaare, die mit Problemen der Unfruchtbarkeit konfrontiert sind." Dieser Wunsch könne jedoch "nicht höher stehen als die Würde jedes menschlichen Lebens"; und dies gelte auch für seine früheste Phase.