Erzbischof Zollitsch: EU muss mehr für sozialen Schutz und Familie tun

Die Menschen in den Mittelpunkt

Vor den Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs über die Zukunft des neuen EU-Vertrags hat sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, eindeutig zum Vertrag von Lissabon bekannt. Er trete ausdrücklich für das Vertragswerk ein, auch wenn es nicht alle Erwartungen der Kirche erfülle, sagte Zollitsch am Mittwochabend in Brüssel.

Erzbischof Zollitsch: Moralischen Gleichgewichtssinn verloren (KNA)
Erzbischof Zollitsch: Moralischen Gleichgewichtssinn verloren / ( KNA )

Der Erzbischof kritisierte, in der irischen Referendums-Kampagne hätten die «Nein»-Befürworter mit Argumenten gearbeitet, «die eindeutig nicht stimmen». Als Beispiele nannte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Schwangerschaftsabbruch, Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften und die Neutralität des Landes. Die Gegner des Vertrags hätten argumentiert, dass Irland hier seine Entscheidungsbefugnisse verliere, wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft trete. Dabei sei mit Befürchtungen gearbeitet worden, «die den Tatsachen nicht entsprechen».

Bei den katholischen Bischöfen in Irland gebe es Zustimmung zum neuen EU-Vertrag, berichtete Zollitsch. Er sei deshalb sehr zuversichtlich, dass «Irland auf einem guten Weg» sei und einen Weg finde, den Vertrag noch zu ratifizieren. Dazu sei Zeit nötig und viel Kleinarbeit zu leisten. Der Erzbischof räumte ein, die Kirche hätte sich für die Präambel des neuen EU-Vertrags einen Gottesbezug oder ein Bekenntnis zum christlich-jüdischen Erbe gewünscht.

Zollitsch rief dazu auf, nach Wegen zu suchen, wie der im neuen EU-Vertrag vorgesehene Dialog mit den Kirchen mit Leben gefüllt werden könne. Die großen alljährlichen Begegnungsrunden der EU-Spitzen mit Religionsführern reichten dazu nicht aus. Nötig seien ein Meinungsaustausch und ein echter Dialog auf verschiedenen Ebenen, so der Erzbischof.

Beim EU-Gipfel soll der irische Regierungschef Brian Cowen am Nachmittag über die Folgen des «Nein» zum Lissabon-Vertrag beim Referendum im Juni berichten. Die Staats- und Regierungschefs wollen danach einen Weg suchen, um doch noch das Inkrafttreten des Vertrages zu erreichen. Beobachter erwarten, dass in Irland im Herbst 2009 ein zweites Mal abgestimmt wird.

Zollitsch führte am Mittwoch und Donnerstag Gespräche mit führenden EU-Politikern. Zu seinen Gesprächspartnern gehörte Europaparlaments-Präsident Hans-Gert Pöttering, der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen, der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz (SPD) und der CDU-Europaabgeordnete Hartmut Nassauer. Der Bischofskonferenz-Vorsitzende sprach auch mit dem Vorsitzende des Europaparlaments-Verfassungsausschusses, Jo Leinen (SPD) und dem deutschen EU-Botschafter Edmund Duckwitz.

Der Erzbischof sagte auf Anfrage, er habe bei seinen Gesprächen überall viel Verständnis gefunden für das, was der Kirche ein Anliegen sei. Außer dem Vertrag von Lissabon und den Werten der EU sei auch das gewachsene Verhältnis von Staat und Kirche ein Thema gewesen. Seine Gesprächspartner hätten als Wunsch an die Kirche geäußert, sie möge dabei helfen, den Menschen zu erklären, was Europa bedeute.