«Ich habe versucht, ein christlicher Musiker zu sein und meinen Glauben zu singen, ohne dass es mir je gelungen wäre - sicher weil ich dessen unwürdig war (und dies sage ich ohne falsche Bescheidenheit!» Der Nachsatz verdeutlicht, wie sehr der in Avignon geborene, tiefgläubige Messiaen mit seinem Glauben rang. Er war nicht nur ein christlicher, sondern ein katholischer Musiker - und ging dabei zurückhaltend mit seiner Religiosität um. Heute steht er in einer Reihe mit katholischen Komponisten wie Ludwig van Beethoven oder Anton Bruckner.
Messiaen selbst bezeichnete sich als «Ornithologe und Rhythmiker». Das passt. Sein Interesse an Vogelstimmen war weit mehr als ein Hobby. Zunächst in seiner südfranzösischen Heimat, später auch auf anderen Kontinenten zog er mit dem Aufnahmegerät umher und sammelte regelrecht den Gesang der Vögel. Er konnte, so heißt es, tausenderlei Vogelgesang unterscheiden und ließ ihn in seine Werke einfließen. Von seinen «Lehrern» sprach er selbst.
Einzelne frühe Arbeiten tragen im Französischen Titel wie «Die schwarze Amsel», «Exotische Vögel» oder «Katalog der Vögel». Und noch sein Orgelspiel in der Pariser Kirche La Sainte Trinite, der er seit 1931 über viele Jahrzehnte als Organist die Treue hielt, weckte gelegentlich Assoziationen an den Klang der Vögel. Dahinter steckte eine Liebe zum Klang, aber auch zur Schöpfung.
Die Selbstbezeichnung als «Rhythmiker» macht deutlich, wie sehr Messiaen, der mit seinen großen Kompositionen im Vergleich zur heutigen musikalischen Moderne eigentlich schon ein Klassiker ist, für seine Zeit ein Avantgardist war. Seine Rhythmik war auch geprägt von einem Verständnis für außereuropäische, vor allem indische Rhythmen und Klänge. Messiaen, meinte Pierre Boulez, einer seiner zahlreichen heute berühmten Schüler, 1978, «hat den sicheren Mut gehabt, die Musik als ein weltumspannendes, universales Phänomen anzusehen... Er hat die Fenster nicht nur auf Europa, sondern auf die Welt, auf die geographisch wie zeitlich entferntesten Kulturen geöffnet.»
Messiaen wurde, bereits preisgekrönt, mit 23 Jahren Kirchenorganist in Paris. Seitdem lebte er - mit Unterbrechungen - in Paris. Eine dieser Unterbrechungen war seine Zeit in deutscher Kriegsgefangenschaft 1940/41 im sächsischen Görlitz. Gelegentlich reiste er später auch in die USA, in denen er mit seiner neuen Musik durchaus populär war. Noch zu seinen Lebzeiten wurde ein kleiner Gebirgszug im Bundesstaat Utah, der ihn 1973 zum Orchesterwerk «Des canyons aux etoiles» inspirierte, in Mount Messiaen umbenannt.
Als Kirchenorganist schuf er viele Klavierstücke, einige Chorstücke, mehrere Orchesterwerke, eine Oper. Diese späte Arbeit, «Saint Francois d'Assise», zeigt den Heiligen weniger als Sozialreformer denn als schöpfungsverbundene Gestalt. «Messiaen hat oft gesagt, dass er sich persönlich mit Franz von Assisi identifizierte. Er war regelrecht Franz von Assisi», meint der Münchener Generalmusikdirektor Kent Nagano.
Gegenüber seinen Schülern hielt sich Messiaen mit seinem religiösen Verständnis zurück. Dabei sprach er selbst gelegentlich von «Kirchenfenster-Musik», wenn er auf seine Werke kam: Wie die bunten Kirchenfenster französischer Kathedralen bildeten sie im Klang die Herrlichkeit Gottes ab.
Vor 100 Jahren wurde Olivier Messiaen geboren
"Meinen Glauben zu singen"
"Ich habe versucht, ein christlicher Musiker zu sein und meinen Glauben zu singen..." Olivier Messiaen, dessen 100. Geburtstag die Musikwelt am Mittwoch feiert, gehört zu den großen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Anders als zur Zeit seines Todes vor 16 Jahren finden sich seine Werke heute in jedem halbwegs sortierten Musikgeschäft. Und nicht nur im Jubiläumsjahr stehen sie auf den Spielplänen vieler großer Orchester.
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