Eine Haushaltsdebatte in der Finanzkrise

Von Brücken und Piraten

Die große Koalition bemüht sich um Zuversicht - trotz Finanzmarktkrise und Rezession. In der Generaldebatte des Bundestags anlässlich der Haushaltsberatungen gaben sich Vertreter von Union und SPD verhalten optimistisch. FDP, Linksfraktion und Grüne warfen der Regierung Versagen bei der Krisenbewältigung vor.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Um fünf Minuten vor Neun betritt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Plenarsaal des Bundestages, sie hat Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) im Schlepptau. Die beiden plaudern angeregt, bleiben auch auf der Regierungsbank minutenlang einträchtig nebeneinander stehen. Die Botschaft ist klar: Die Kanzlerin und ihr Ressortchef, die können miteinander. In schweren Zeiten gibt es keinen Streit, auch nicht über die von der CSU verlangten Steuersenkungen. Die erste Brücke scheint geschlagen.

«Die internationalen Finanzmärkte sind in der Krise», beginnt Merkel ihre 40-minütige Rede in der Generaldebatte über den Etat des kommenden Jahres und dämpft gleich darauf zu große Erwartungen an die Politik, die «nicht alle Ereignisse voraussagen» könne. Dann wagt die Kanzlerin doch eine Prognose: «2009 wird ein Jahr schlechter Nachrichten sein», sagt Merkel, »und deshalb bauen wir eine Brücke, damit es spätestens 2010 wieder besser wird».

Schließlich gibt die Kanzlerin ein Geländer vor: «Wir brauchen eine Politik des Maßes, der Mitte und der praktischen Vernunft.» Deshalb werde es keine Entlastungen» geben, «die das Zeichen der nächsten Steuererhöhung schon auf der Stirn tragen». Gerade in Krisenzeiten seien «klare Grundsätze und Leitsätze» gefragt.

Brücken muss Merkel viele schlagen an diesem Tag, nicht nur über die Abgründe des Finanzmarktes und zu ihrem Wirtschaftsminister, sondern auch zum skeptischen Koalitionspartner und zu ihrer eigenen Fraktion. «Ungeregelte Märkte führen ins Unglück», zieht die Kanzlerin eine Lehre aus der Krise. Einige Abgeordnete der Union blicken da etwas betreten zu Boden, die Sozialdemokraten können damit aber offensichtlich gut leben.

SPD-Fraktionschef Peter Struck freut sich über «eine Renaissance des Staates». Die Politik habe bei den Bürgern in den vergangenen Wochen viel an Reputation zurückgewonnen, die Koalition mit dem «sehr guten» Finanzminister Peer Steinbrück und Merkel an der Spitze «punktgenau» auf die Krise reagiert.

Die Opposition will das so keineswegs stehenlassen. Linke-Chef und Ex-Finanzminister Oskar Lafontaine nutzt die Debatte für eine Nachhilfestunde über die Irrtümer des Neoliberalismus. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wirft der Kanzlerin vor, sie wisse gar nicht, wohin ihre »Brücke eigentlich führen soll«. Als »Repräsentantin der gesellschaftlichen Beharrungskräfte« gebe Merkel lediglich »Allgemeinplätze« von sich und wandere etwa in der Bildungs- oder Klimapolitik von Gipfel zu Gipfel, ohne je »die andere Seite des Berges zu erreichen«.

Sollte es in der Bundespolitik jemals eine schwarz-grüne Annäherung gegeben haben, bei Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ist davon gar nichts zu spüren. Er wirft seiner Grünen-Kollegin eine »dümmliche Rede« vor, es sei gut für Deutschland, dass Steinbrück und Merkel die Krise managten und nicht Lafontaine und Künast. Und dann betont Kauder - wie zuvor bereits Merkel und Struck - wie wichtig es gerade für die Weltwirtschaft sei, am Horn von Afrika die Piraten zu bekämpfen.

Es folgt der Auftritt von FDP-Chef Guido Westerwelle, inzwischen zum womöglich besten Redner des Bundestages gereift. »Wir brauchen keine Regierung, die vor schwierigen Zeiten warnt, wir brauchen eine Regierung, die in schwierigen Zeiten handelt«, wirft er Merkel eine Politik der »eingeschlafenen Füße« vor. Brutalstmöglich nutzt Westerwelle die Verlegenheit einiger Unions-Abgeordneten aus: Nicht auf ihrem bevorstehenden Parteitag müssten die CDU-Parlamentarier Steuersenkungen zustimmen, sondern jetzt und hier im Bundestag. Für Glos hat der FDP-Chef allerdings Zuspruch parat, er sei »unser Quantum Trost in der Regierung". Da muss auch Merkel lachen.