EKD-Synode wirft Huber "Kuschelkurs mit den Neoliberalen" vor

Streitkultur

"Mir ist warm geworden", bekennt Bischof Wolfgang Huber. Das bekundete Wohlgefühl hat gewiss auch mit der Hitze des Gefechts zu tun, in dem sich der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Sonntagabend in Bremen wiederfindet. Eingehend und ungewöhnlich heftig debattiert die EKD-Synode über die gegenwärtige Finanzmarktkrise und die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft - eine Auseinandersetzung, mit der sich die deutschen Protestanten in diesen Tagen in der Mitte der Gesellschaft wiederfinden.

Autor/in:
Bernd Buchner
 (DR)

Deutlicher Widerspruch regt sich in den Reihen des Kirchenparlaments dabei vor allem gegen die EKD-Denkschrift «Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive» vom Juli 2008. Das Papier sei zu unternehmerfreundlich, muss sich Ratschef Huber anhören, es verdecke nur mühsam die unterschiedlichen Auffassungen seiner Autoren. Vom «Kuschelkurs mit den Neoliberalen» ist gar die Rede, der Kölner Synodale Uwe Becker geißelt das «Vokabular eines antiquierten Feudalismus», der die Sorgen und Nöte der Arbeitnehmer nicht mehr im Blick habe.

Doch es wird noch schärfer. Die Ratserklärung habe ein schönes Reich-Gottes-Szenario ausgebreitet, bemerkt die Leipziger Jugenddelegierte Anna Maria Busch ironisch: «Da liegt der Löwe bei den Lämmern - schön wär's.» Die Kirche mache sich vielmehr zum Anwalt eines «neoliberalen Kapitalismus». Da platzt dem stellvertretenden EKD-Ratschef Christoph Kähler der Kragen: Er frage sich, so der Thüringer Bischof, ob Busch das Leipzig vor 1989 erlebt habe. Die junge Sächsin wiederum fühlt sich durch die Warnung vor «sozialistischen Experimenten» gründlich missverstanden.

Obwohl der synodale Hitzespiegel nun auf das Niveau von Börsensälen zu steigen scheint, ist noch Platz für Gegenargumente, etwa dass die Denkschrift ja lange vor der Eskalation auf den Finanzmärkten entstanden sei - und dass man sie nur im Zusammenhang mit anderen EKD-Papieren sehen könne, etwa zur viel beachteten Armutsdenkschrift «Gerechte Teilhabe» von 2006. Unterstützung findet Huber auch in Robert Leicht, der sonst nicht zu seinen besten Freunden zählt. Der Protestantismus habe sich mit Recht den Unternehmern zugewandt, so der «Zeit»-Journalist.

Der Ratschef hat indes noch an einer weiteren Fieberfront zu
kämpfen: Ein Alleingang des EKD-Leitungsgremiums sei die Denkschrift gewesen, monieren zahlreiche Redner, die Synode sei düpiert worden.
Elisabeth Lingner nennt es «ein bisschen Basta-Politik». Erst als ihr Kollege Hans-Peter Strenge mit geübtem norddeutschem Charme auf die Richtlinienkompetenz des Kirchenparlaments verweist, lockert sich die Stimmung etwas, und Huber gesteht zu: «Es ist unstrittig, dass auch die Synode im Namen unserer Kirche sprechen kann.»

Managergehälter, Mindestlöhne, Maß und Ziel in der Wirtschaft: Der Gesprächsstoff wird den 117 Delegierten aus den 23 Landeskirchen nicht ausgehen - auch wenn die am Mittwoch endende Bremer Tagung unter dem Motto «Klimawandel - Wasserwandel - Lebenswandel» und damit die christliche Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung im Zentrum der Beratung steht. Den Klimasturz, den die Wirtschaftsordnung im öffentlichen Bewusstsein erlebt, spontan zum Hauptthema zu machen, dafür will sich das Kirchenparlament dann doch nicht erwärmen.