Annäherung zwischen Koalition und Opposition im Streit um Antisemitismus-Erklärung

Linksfraktion weiter ausgeschlossen

Im Streit über eine Erklärung des Bundestages gegen Antisemitismus anlässlich des 70. Jahrestages der Pogromnacht von 1938 sind Koalition und Opposition auf dem Weg der Einigung. Allerdings bleibt die Linksfraktion weiter ausgeschlossen.

 (DR)

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, sagte dem epd am Freitag in Berlin, es gebe eine Einladung der Koalitionsfraktionen an die FDP und die Grünen, sich über einen gemeinsamen Antrag zu verständigen. Es hätten bereits Gespräche stattgefunden.

Die Frage der Beteiligung der Linken sei aber noch offen, sagte van Essen. Der FDP-Politiker plädierte dafür, alle Fraktionen einzubeziehen, auch die Linksfraktion, da dies dem Thema angemessen sei und «eine solche Erklärung dann auch für alle bindend ist».

Der Bundestag will am Dienstag eine Erklärung zum Kampf gegen Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens in Deutschland beschließen. Dies soll mit einer einstündigen Debatte verbunden werden. Anlass ist der 70. Jahrestag der Pogromnacht am 9. November.

Auch die Grünen haben großes Interesse an einer möglichst breit getragenen Erklärung und signalisierten Einigungsbereitschaft. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagte dem epd am Freitag: «Ich bin ernsthaft interessiert, dass wir zu einem gemeinsamen Text kommen. Dazu kommt es aber auch auf den Inhalt an.»

Nachdem sich die Union von einem ersten, von allen Bundestagsfraktionen gemeinsam formulierten Antrag wieder zurückgezogen und eine gemeinsame Verabschiedung mit der Linksfraktion ausgeschlossen hatte, hatten sich die beiden Koalitionsfraktionen unter Ausschluss der Opposition auf einen gemeinsamen Antrag verständigt. Nun soll ein gemeinsamer Text auf der Basis dieses Antrags, der dem epd vorliegt, formuliert werden.

Einen Beauftragten für Antisemitismus, wie er ursprünglich gefordert worden war, wird es danach nicht geben, es soll aber ein Expertengremium regelmäßig Berichte über den Antisemitismus in Deutschland liefern und Empfehlungen für Gegenprogramme geben. Bereits in den Schulen soll vorgebeugt werden, indem Themen zum jüdischen Leben, jüdischer Geschichte und dem heutigen Israel in die Lehrpläne aufgenommen werden.

Der Zentralrat der Juden hatte das Vorgehen der Koalitionsfraktionen scharf kritisiert. «Das ist die Auflösung der Koalition gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus», sagte Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates, der «Berliner Zeitung». Die Politiker sollten sich besinnen, forderte Kramer. Der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen forderte, alle Fraktionen in die Erklärung zum 9. November einzubeziehen. Der Gedenktag sei zu wichtig, «um kleinkarierter politischer Taktik zum Opfer zu fallen», schrieben sie in einem Brief an das Präsidium und die Fraktionsvorsitzenden sowie die beteiligte Fachpolitiker.

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und verschiedene Bürgerrechtsorganisationen forderten in einer Erklärung die Fraktionen zu einer gemeinsamen Beschlussfassung zur Antisemitismusbekämpfung auf. Dabei müsse an die ursprüngliche Idee, einen Beauftragten einzusetzen, wieder angeknüpft werden, verlangten sie. Die Debatte über verschiedene Ausprägungen des Antisemitismus dürfe eine gemeinsame Position nicht verhindern, heißt es in der Erklärung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, des Koordinierungsrats deutscher Nicht-Regierungsorganisationen gegen Antisemitismus und des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus.

Micha Brumlik, der ehemalige Leiter des Fritz-Bauer-Instituts zur Erforschung des Holocaust in Frankfurt, sprach von einer Blamage der Union. Er sagte im Deutschlandradio Kultur, dass die Vorwürfe der Union gegenüber der Linkspartei nicht mehr stimmten. «Gregor Gysi hat sich vor einiger Zeit in einer Aufsehen erregenden Rede vom Antizionismus des klassischen Antiimperialismus distanziert und zu einem Umdenken aufgerufen», sagte Brumlik. Unionspolitiker hatten der Linksfraktion vorgeworfen, sie habe sich nicht vom Antizionismus der DDR distanziert.